Leitsatz
Nach einer wirksamen erstmaligen Antragstellung ist das Vorliegen der materiell-rechtlichen Antragsvoraussetzungen gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a und b des Einkommensteuergesetzes in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen vom Finanzamt zu unterstellen. Diese müssen nur für das erste Antragsjahr vorliegen; ihr Wegfall in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen ist unerheblich.
Normenkette
§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b, Sätze 2 und 4, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d, § 3c Abs. 2 Satz 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war in den Streitjahren (2014 und 2015) zu 12,5 % an einer GmbH beteiligt und bezog aus der Beteiligung Gewinnausschüttungen. Bis zum 31.3.2013 war der Kläger auch beruflich für die GmbH tätig gewesen. Für den VZ 2013 hatte er erfolgreich zum Teileinkünfteverfahren optiert. In den Streitjahren versagte das FA die tarifliche Besteuerung, da die Antragsvoraussetzungen entfallen seien. Das FG hat der Klage stattgegeben (FG Köln, Urteil vom 15.12.2020, 11 K 1048/17, Haufe-Index 14470111, EFG 2021, 1111).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA zurückgewiesen. Das FG habe die Kapitaleinkünfte des Klägers aus seiner Beteiligung an der GmbH zu Recht dem Teileinkünfteverfahren unterworfen und auch zutreffend ermittelt.
Hinweis
Der Besprechungsfall betrifft hinsichtlich der Voraussetzungen für die Option zum Teileinkünfteverfahren die Rechtslage bis einschließlich VZ 2016. Damals konnte für Beteiligungserträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG) zum Teileinkünfteverfahren optieren, wer u.a. zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für die Kapitalgesellschaft tätig war. Nicht erforderlich war, dass der Antragsteller aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft haben musste. Die Fassung des Gesetzes, nach der die ausgeübte berufliche Tätigkeit dem Antragsteller maßgeblichen unternehmerischen Einfluss auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Kapitalgesellschaft vermitteln muss, ist erstmals auf Anträge für den VZ 2017 anzuwenden.
Streitig war aber eine andere Frage: Nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG ist der Antrag auf tarifliche Besteuerung spätestens zusammen mit der ESt-Erklärung für den jeweiligen VZ zu stellen und gilt, solange er nicht widerrufen wird, auch für die folgenden vier VZ, ohne dass die Antragsvoraussetzungen erneut zu belegen sind. Nach Auffassung der Finanzverwaltung war die Vorschrift so zu verstehen, dass die Voraussetzungen für die Option zur Tarifbesteuerung auch in den vier Folgejahren vorliegen mussten; lediglich die Nachweispflicht sollte danach entfallen. Nach der Gegenauffassung, der auch das FG gefolgt ist, werden die Antragsvoraussetzungen dagegen in den vier Folgejahren fingiert. Die Option gilt also für fünf Jahre, wenn die Antragsvoraussetzungen im ersten Jahr vorgelegen haben, auch wenn sie in den Folgejahren entfallen. Daran ist das FA gebunden. Der Steuerpflichtige kann seinen Antrag widerrufen.
Der BFH hat sich der zuletzt genannten Auffassung angeschlossen.
Der Senat hatte bereits entschieden, die Vorschrift solle eine Überbesteuerung unternehmerischer Gesellschafter vermeiden. Dazu könne es kommen, wenn Refinanzierungskosten des Beteiligungserwerbs nicht abziehbar wären. Es bestehe deswegen kein Bedürfnis, die Vorschrift eng auszulegen (BFH, Urteil vom 27.3.2018, VIII R 1/15, BFH/NV 2018, 870, BFH/PR 2018, 208, BStBl II 2019, 56).
Weiter hatte der Senat bereits entschieden, der Gesetzgeber habe in der Vorschrift ein formalisiertes Verfahren zur Antragstellung sowie zum Widerruf des Antrags geregelt, um ständige Wechsel des Besteuerungsregimes auszuschließen (BFH, Urteil vom 14.5.2019, VIII R 20/16, BFH/NV 2019, 1168, BFH/PR 2019, 292, BStBl II 2019, 586).
In den Gesetzesmaterialien heißt es ausdrücklich: "Der Antrag gilt grundsätzlich als für fünf Veranlagungszeiträume gestellt. Dabei wird fingiert, dass die Voraussetzungen für eine Option während dieses gesamten Zeitraums erfüllt sind. Erst nach Ablauf von fünf Veranlagungszeiträumen sind ein erneuter Antrag und eine Darlegung der Antragsvoraussetzungen erforderlich" (BT-Drucks. 16/7036, 14).
Dementsprechend hat der Gesetzgeber auch eine Anzeigepflicht bei veränderten Umständen nicht vorgesehen.
Aus diesen Umständen hat der Senat geschlossen, es entspreche dem objektivierten Willen des Gesetzgebers, dass die Antragsvoraussetzungen in den Folgejahren nicht erneut überprüft, sondern vom FA unterstellt werden müssen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.12.2023 – VIII R 2/21