Für Steuerpflichtige, die z.B. innerhalb der Mitgliedstaaten grenzüberschreitende Umsätze (z.B. innergemeinschaftliche Reihengeschäfte) tätigen oder steuerbare Umsätze in einem Mitgliedstaat (z.B. Lieferungen innerhalb eines Mitgliedstaates) ausführen, in welchem sie nicht ansässig sind, ergibt sich häufig die Verpflichtung, sich für mehrwertsteuerrechtliche Zwecke in den betroffenen Mitgliedstaaten registrieren zu lassen, um den dortigen Verpflichtungen nachzukommen. Zwar bestehen bereits heute für wenige spezielle Transaktionen Regelungen, die grundsätzlich eine Registrierungsverpflichtung vermeiden sollen, etwa für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte oder bei grenzüberschreitenden Konsignationslagersachverhalten. Außerhalb des sehr begrenzten Anwendungsbereichs der vorgenannten "Vereinfachungsregelungen" sehen sich Steuerpflichtige dennoch häufig mit Registrierungsverpflichtungen in mehreren Mitgliedstaaten konfrontiert. Solche Verpflichtungen bedeuten regelmäßig einen hohen Aufwand für die Steuerpflichtigen, die ihre IT-Systeme z.B. hinsichtlich der entsprechenden Steuerfindung und Rechnungstellung anpassen bzw. erweitern müssen. Da immer mehr Mitgliedstaaten unterschiedliche Modelle für eine digitale Meldepflicht bzw. Rechnungstellung umsetzen bzw. bereits eingeführt haben, sind die Kosten aufgrund der Fragmentierung des Rechtsrahmens im Bereich der Mehrwertsteuer innerhalb der EU für multinationale Unternehmen erheblich. Darüber hinaus bedarf es regelmäßig der Unterstützung durch einen lokalen Berater zur Erfüllung der lokalen (Deklarations-)Verpflichtungen. Problematisch kann es zudem unter Umständen werden, wenn eine Registrierungsverpflichtung in einem anderen Mitgliedstaat gegebenenfalls zu einem sehr späten Zeitpunkt (z.B. erst nach Ausführung eines Umsatzes) erkannt wird.
Durch die vorgeschlagenen Maßnahmen im Rahmen der Einführung einer "einzigen" Mehrwertsteuerregistrierung beabsichtigt die Europäische Kommission mehrfache Mehrwertsteuerregistrierungen in der EU (zumindest) zu reduzieren. Dieses Ziel soll im Wesentlichen durch die folgenden Maßnahmen erreicht werden:
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a. Erweiterung der Lieferkettenfiktion bei elektronischen Schnittstellen auf nahezu sämtliche Lieferungen und innergemeinschaftliche Verbringungen/Steuererklärungen über entsprechende OSS-Verfahren/Abschaffung der Konsignationslagerregelung (s. zu diesen Punkten nachfolgend unter a)) |
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b. Einführung eines – für den leistenden Steuerpflichtigen optionalen – Reverse-Charge-Mechanismus für lokale Leistungen durch nicht ansässige Steuerpflichtige (s. dazu unter b)). |
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c. Darüber hinaus sollen weitere Leistungen in OSS-Verfahren erklärt werden dürfen. Für die Zwecke der EU-Regelung des OSS soll z.B. die Definition des Mitgliedstaats des Verbrauchs derart erweitert werden, dass die Lieferung von Gegenständen mit Installation oder Montage, die Lieferung von Gegenständen an Bord eines Schiffs, eines Flugzeugs oder einer Eisenbahn und die Lieferung von Gas, Strom, Wärme oder Kälte sowie inländische Lieferungen von Gegenständen darunter fallen. Zudem wird festgelegt, dass die EU-Regelung des OSS auch für die genannten Arten von Lieferungen verwendet werden kann, sofern diese Gegenstände an Nichtsteuerpflichtige geliefert werden. Die Regelung kann auch auf inländische Lieferungen von Gegenständen, die der Differenzbesteuerung unterliegen, an eine andere steuerpflichtige Person angewandt werden, wenn sie von steuerpflichtigen Wiederverkäufern im Rahmen der Differenzbesteuerung bewirkt werden. Art. 359 MwStSystRL soll ab dem 1.1.2024 dahingehend geändert werden, dass das OSS-Verfahren auch dann gilt, wenn der nicht steuerpflichtige Dienstleistungsempfänger außerhalb der Europäischen Union ansässig ist. Der One-Stop-Shop soll demnach auf Leistungen an Personen erweitert werden, welche nicht in der EU ansässig oder wohnhaft sind. Maßgeblich ist allein, dass die unter diese Regelung fallende (B2C)Leistung von einem außerhalb der EU ansässigen Steuerpflichtigen erbracht wird und in Deutschland steuerpflichtig ist (relevant ggf. etwa bei Leistungen in Bezug auf in Deutschland belegene Grundstücke). |
Diese Änderungen sollen im Rahmen der ersten Stufe (zum 1.1.2024), zweiten Stufe (zum 1.1.2025) und dritten Stufe (zum 1.1.2026) umgesetzt werden.