Erweiterung der Lieferkettenfiktion auf den B2B-Bereich: Wie eben beschrieben, findet nach aktueller Rechtslage die Lieferkettenfiktion für Lieferungen innerhalb der Gemeinschaft nur dann Anwendung, soweit Lieferungen durch einen nicht in der Gemeinschaft ansässigen Steuerpflichtigen an eine nicht steuerpflichtige Person betroffen sind. Zum 1.1.2025 soll die Anwendung dieser Regel des fiktiven Lieferers erweitert werden und zukünftig nahezu alle Lieferungen von Gegenständen in der Gemeinschaft erfassen, die von einer elektronischen Schnittstelle unterstützt werden, unabhängig von dem Ort der Ansässigkeit des zugrunde liegenden Lieferers und dem Status des Erwerbers. Anders als nach dem geltenden Recht würde die Lieferkettenfiktion demnach auch dann greifen, wenn der zivilrechtliche Lieferer nicht in einem Drittland, sondern in der Union ansässig ist.
Rechtsfolgen: Die fiktive Lieferung des Verkäufers an die elektronische Schnittstelle soll steuerfrei sein, ohne dass es diesbezüglich auf eine grenzüberschreitende Beförderung oder Versendung ankommt, da die Lieferung des Betreibers der elektronischen Schnittstelle an den Kunden als die bewegte Lieferung gilt. Die fiktive Lieferung der elektronischen Schnittstelle an den Kunden unterliegt den allgemeinen Regelungen, so dass deren Besteuerung gegebenenfalls auch vom Status des Kunden abhängt. Nach unserem Verständnis könnte sie auch steuerbefreit sein, etwa als bewegte innergemeinschaftliche Lieferung, sofern die Voraussetzungen vorliegen.
Ausnahme von der Erweiterung der Lieferkettenfiktion: Keine Anwendung soll die Lieferkettenfiktion finden, wenn die elektronische Schnittstelle lediglich in einem Mitgliedstaat ansässig ist und nur lokale Lieferungen innerhalb dieses Mitgliedstaates unterstützt.
Ausweitung der Lieferkettenfiktion auf innergemeinschaftliches Verbringen: Zudem soll die Regel des fiktiven Lieferers auf bestimmte unternehmensinterne Verbringungen von Gegenständen anzuwenden sein, die von einer elektronischen Schnittstelle unterstützt werden.
Zu diesem Punkt würden aus unserer Sicht genauere Vorgaben zu dem Tatbestand des "Unterstützens" hilfreich sein, um besser einschätzen zu können, in welcher Form die elektronische Schnittstelle (der Marktplatzbetreiber) – aktiv oder passiv – an dem Verbringungsvorgang beteiligt sein muss, um sich als fiktiver Lieferer zu qualifizieren. Unklar erscheint derzeit zum Beispiel, ob die – nicht unüblichen – Fälle erfasst werden könnten, in denen der Verkäufer selbst die Ware in ein Lager verbringen lässt, welches wiederum dem Unternehmen der an diesem Verbringensvorgang ansonsten aber nicht beteiligten elektronischen Schnittstelle zuzuordnen ist.
Rechtsfolgen: Durch die Fiktion verwirklicht die elektronische Schnittstelle eine innergemeinschaftliche Verbringung im Abgangsland der Ware und einen gleichgestellten innergemeinschaftlichen Erwerb im Empfangsland der Ware, ungeachtet der Tatsache, dass der Verkäufer zivilrechtlicher – und nach allgemeinen Grundsätzen auch wirtschaftlicher – Eigentümer der Ware bleibt. Die grenzüberschreitende Beförderung oder Versendung soll demnach einem unternehmensinternen Vorgang der elektronischen Schnittstelle zugeordnet werden. Die Fiktion eines innergemeinschaftlichen Verbringens an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle ist steuerfrei.
Deklaration: Innergemeinschaftliche Verbringungen kommen im Onlinehandel regelmäßig vor und sind im Regelfall nach geltendem Recht vom Eigentümer im Abgangsland und im Zielland umsatzsteuerlich zu erklären und erfordern deshalb entsprechende Registrierungen. Bemängelt wurde in der Vergangenheit, dass gerade im Onlinehandel viele Vorgänge nicht im OSS (One-Stop-Shop bzw. Einzige Anlaufstelle) erklärt werden konnten, etwa Verbringungen von Waren in andere Mitgliedstaaten, z.B. zum Zweck späterer Online-Verkäufe. Für innergemeinschaftliche Verbringungen soll nunmehr zum 1.1.2025 ein neues – aus Sicht des Lieferers optionales – OSS-Verfahren geschaffen werden, um Registrierungspflichten in einem anderen Mitgliedstaat zu vermeiden. Die Regelung soll auch für Nicht-EU-Steuerpflichtige gelten. Die elektronischen Schnittstellen sollen darin ihren neuen Verpflichtungen zur Erklärung ihrer innergemeinschaftlichen Verbringungen nachkommen können, d.h. für die Verbringungen von Waren, die noch den Verkäufern gehören.
Verbringungen ohne elektronische Schnittstelle: Diese Sonderregelung gilt darüber hinaus für alle unternehmensinternen Verbringungen von Gegenständen (i.S.v. Art. 17 MwStSystRL) durch einen Steuerpflichtigen, der sich für diese Regelung registrieren lässt. Demnach können auch solche innergemeinschaftlichen Verbringungen, die Waren betreffen, welche gar nicht über eine elektronische Schnittstelle veräußert werden, zukünftig in einem OSS-Verfahren erklärt werden. Auf diese Weise sollen vielfältige Registrierungsverpflichtungen der Onlinehändler vermieden werden. In diesen Fällen gibt es keine Lieferkettenfik...