Leitsatz
1. Weist ein Unternehmer in einer Rechnung Umsatzsteuer gesondert erst zu einem Zeitpunkt aus, in dem die ursprünglich entstandene Steuer für seine Leistung wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr erhoben werden kann, so schuldet er die ausgewiesene Steuer nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG.
2. In diesem Fall liegt ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor.
Normenkette
§ 14 UStG , § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG , Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der 6. EG-RL , § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
Sachverhalt
Der Kläger brachte 1988 sein Einzelunternehmen in eine GmbH ein, ohne den Umsatz zu erklären. Nach Eintritt der Festsetzungsverjährung für die Umsatzsteuer 1988 stellte er der GmbH eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis aus. Das FA änderte nunmehr den USt-Bescheid für 1988 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und erfasste die vom Kläger ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG.
Das FG meinte dagegen, keiner der Tatbestände des § 14 UStG sei erfüllt (EFG 2001, 1576).
Entscheidung
Die Revision des FA hatte Erfolg. Beachten Sie: Die Einbringung von Wirtschaftsgütern eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen ist steuerbar und grundsätzlich (Ausnahme z.B. Grundstücke, Umsätze mit Geldforderungen) steuerpflichtig.
Die Entscheidung des EuGH, wonach eine Personengesellschaft bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage an diesen keine Dienstleistung gegen Entgelt i.S.d. Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL erbringt (vgl. EuGH-Urteil vom 26.6.2003, Rs. C-442/01"KapHag Renditefonds", BFH-PR 2003, 357), betrifft lediglich die Frage eines Leistungsaustauschs aus der Sicht der Gesellschaft. Bringt dagegen ein Einzelunternehmer Wirtschaftsgüter seines Unternehmens in eine Gesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen ein, liegt eine entgeltliche Leistung vor. Aus dem EuGH-Urteil lässt sich nichts Gegenteiliges ablesen.
Denken Sie daran, dass auch eine unrichtig oder zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer berichtigt werden kann, wenn der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger rückgängig gemacht worden ist.
Hinweis
Die Entscheidung hat nur Bedeutung für Sachverhalte vor In-Kraft-Treten des neuen § 14c UStG; denn entscheidungserheblich war, ob und ggf. welche Alternative des § 14 UStG einschlägig war.
Zu § 14 UStG hatte der BFH bereits entschieden, dass die Unterscheidung zwischen § 14 Abs. 2 UStG und § 14 Abs. 3 UStG insoweit keine Bedeutung mehr hat, als
- nur für den berechneten Umsatz geschuldete Umsatzsteuer als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG abziehbar ist und
- eine unrichtig oder zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer berichtigt werden kann, wenn der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger rückgängig gemacht worden ist.
Bedeutung hat die Unterscheidung zwischen § 14 Abs. 2 UStG und § 14 Abs. 3 UStG noch bis zum In-Kraft-Treten des § 14c UStG nur für die Entstehung der Steuer. Denn die Steuer entsteht
§ 14 Abs. 2 (und nicht Abs. 3) UStG gilt für Unternehmer, die persönlich zum gesonderten Steuerausweis berechtigt sind und für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag in der Rechnung gesondert ausgewiesen haben, obwohl sie für diesen Umsatz eine niedrigere Steuer oder – mangels Steuerbarkeit oder wegen Steuerfreiheit – gar keine Steuer schulden.
§ 14 Abs. 2 (und nicht Abs. 3) UStG ist auch anwendbar, wenn ein Unternehmer Umsatzsteuer für einen steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz in einer Rechnung gesondert ausweist, obwohl im Zeitpunkt der Rechnungserteilung die Umsatzsteuer wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO) gem. § 47 AO erloschen ist und deswegen nicht mehr erhoben werden kann. Auch in diesem Fall hat der Unternehmer i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG einen höheren Steuerbetrag, als er nach dem UStG schuldet, ausgewiesen. Denn er schuldet die Umsatzsteuer nach dem UStG nicht (mehr).
Die Ausstellung der Rechnung nach Festsetzungsverjährung ist rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO; denn – kraft gesetzlich angeordneter Rückwirkung – entstand gem. § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG die Steuer im Fall des § 14 Abs. 2 UStG bei der – im Streitfall vorliegenden – Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten in dem Zeitpunkt, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.11.2003, V R 79/01