Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
Dient ein Insolvenzverfahren über einen Nachlass sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des vormals als Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigten Erblassers wie auch der Befriedigung von dessen Privatverbindlichkeiten, ist der Gesamtrechtsnachfolger aus den Leistungen des Insolvenzverwalters grundsätzlich im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Nachlassinsolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 15 Abs. 4, § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG
Sachverhalt
Das zuständige Insolvenzgericht eröffnete das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Apothekers A und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
Die Hauptverbindlichkeit des Nachlasses, die aus der Übernahme der Apotheke durch A herrührte, machte einen Anteil von ... EUR der Insolvenzforderungen aus, die sich auf insgesamt ca. ... EUR beliefen. Den Verbindlichkeiten standen Aktiva aus dem Privat- und Unternehmensvermögen in Höhe von ... EUR bzw. ... EUR gegenüber.
Der Kläger erteilte für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter eine Rechnung mit einem gesonderten Steuerausweis über ... EUR und machte daraus den Vorsteuerabzug geltend.
Das FA differenzierte hinsichtlich der Vorsteuerbeträge danach, ob die vom Kläger verwerteten Aktiva aus dem Privatvermögen oder aus dem Unternehmensvermögen stammten; es ging davon aus, dass 67 % der verwerteten Aktiva dem Privatvermögen zuzuordnen seien, und versagte insoweit den Vorsteuerabzug.
Das FG gab der Klage teilweise statt (FG Köln, Urteil vom 9.5.2014, 4 K 2584/13, Haufe-Index 7199142, EFG 2014, 1726).
Zwar sei die Abwicklung des Unternehmens des A noch unternehmerisch. Der Kläger, der als Verwalter im Insolvenzverfahren über den Nachlass des A dessen hinterlassenes Privat- und Unternehmensvermögen zur Bedienung der privaten und unternehmerischen Verbindlichkeiten veräußert habe, könne die Vorsteuer jedoch nur anteilig abziehen. Bei der erforderlichen Vorsteueraufteilung für Leistungsbezüge, die einer wirtschaftlichen und einer nicht wirtschaftlichen Tätigkeit dienten, sei § 15 Abs. 4 UStG analog anzuwenden.
Die Insolvenzverwaltertätigkeit habe insoweit unternehmerischen Interessen gedient, als Verbindlichkeiten des vormaligen Unternehmens bedient worden seien. Die Quote der unternehmerischen Insolvenzforderungen sei ein feststehender Wert, der einen objektiven Verursachungsbeitrag des Unternehmens an der Insolvenz widerspiegele. Das FA habe dagegen eine Zurechnung nach dem Verhältnis der Vermögensanteile vorgenommen. Dem sei nicht zu folgen.
Entsprechend dem Anteil der dem Unternehmen zuzuordnenden Verbindlichkeiten (... EUR) am Gesamtbestand der Insolvenzforderungen (... EUR) von gerundet 60 % sah das FG ... EUR der ausgewiesenen Vorsteuer in Höhe von ... EUR als abziehbar an.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Auffassung des FG.
Ein Nachlassinsolvenzverfahren könne gleichermaßen der Befriedigung unternehmerischer wie auch privater Verbindlichkeiten dienen, wenn der Erblasser, wie hier, bis zu seinem Tod als Unternehmer tätig war. Der für den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen der einheitlichen Leistung des Klägers, die er als Verwalter im Insolvenzverfahren über den Nachlass des A erbracht habe, und vormals von diesem ausgeführten und zum vollen Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen liege mithin vor, soweit der Kläger das Nachlassvermögen anteilig zur Befriedigung unternehmerischer Insolvenzforderungen verwendet hat.
Hinweis
Mit dem Tod eines Unternehmers endet zwar dessen Unternehmereigenschaft i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG und somit auch die Berechtigung zum Vorsteuerabzug i.S.v. § 15 UStG.
Der Gesamtrechtsnachfolger tritt aber in die umsatzsteuerrechtlich noch nicht abgewickelten unternehmerischen Rechtsverhältnisse seines Rechtsvorgängers ein. Führt der Gesamtrechtsnachfolger die wirtschaftliche Tätigkeit des Erblassers nicht fort, sondern verkauft er im Rahmen der Liquidation des Unternehmens die Gegenstände des ererbten Unternehmensvermögens, handelt er insoweit als Unternehmer.
Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hat keinen Einfluss auf die Unternehmereigenschaft des Insolvenz- bzw. Gemeinschuldners.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.10.2015 – XI R 28/14