Sachverhalt

Die beiden niederländischen Vorabentscheidungsersuchen betrafen die Auslegung von Art. Abs. 4 der 2. EG-Richtlinie (67/228/EWG vom 11.4.1967) sowie von Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 176 MwStSystRL; die 2. EG-Richtlinie wurde mit Inkrafttreten der 6. EG-Richtlinie zum 1.1.1978 aufgehoben). Danach genießen Bestandsschutz diejenigen Ausschlüsse vom Vorsteuerabzug in einem Mitgliedstaat, die bereits vor dem Inkrafttreten der 6. EG-Richtlinie geregelt waren.

Nach niederländischem Recht ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen für die "Bereitstellung von privaten Transportmöglichkeiten". In dem Vorabentscheidungsersuchen in der Sache C-538/08 stellte das Vorlagegericht in diesem Zusammenhang zwei Fragen betreffend die hinreichende Bestimmtheit eines solchen Ausschlusses sowie die Zulässigkeit eines nur teilweisen Ausschlusses (soweit die Vorsteuer nicht einer Verwendung für geschäftliche Zwecke zurechenbar ist).

Nach niederländischem Recht ist der Vorsteuerabzug weiterhin unter anderem ausgeschlossen für

  • "die Verabreichung von Speisen und Getränken an das Personal des Unternehmers";
  • "die Zwecke von Werbegeschenken ...";
  • "die Beschaffung von Wohnraum ... für das Personal des Unternehmers";
  • "Zwecke von Sport und Vergnügen ... für das Personal des Unternehmers":

Das Vorabentscheidungsersuchen in der Rs. C-33/09 enthielt hinsichtlich dieser Abzugsverbote Fragen zur hinreichenden Bestimmtheit, der Zulässigkeit eines teilweisen Ausschlusses sowie zur Zulässigkeit einer Änderung des Vorsteuerausschlusses, die insgesamt dessen Wirkung beschränkt, in Einzelfällen aber zu einer Verschärfung des Abzugsverbotes führen kann.

Nach Art. 176 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten alle Vorsteuerausschlüsse beibehalten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der 6. EG-Richtlinie (am 1.1.978) in den nationalen Vorschriften vorgesehen waren. Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten nach Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht keine neuen Vorsteuerausschlüsse mehr einführen durften (sog. Stand-Still-Klausel). Bis zur Harmonisierung des Vorsteuerabzugs dürfen die Ausschlüsse auch dann beibehalten werden, wenn Gegenstände betroffen sind, die ausschließlich unternehmerisch genutzt werden. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die ursprüngliche 4-Jahresfrist nach Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie bereits abgelaufen ist.

Ein Mitgliedstaat, der Vorsteuerausschlüsse i. S. v. Art. 176 MwStSystRL beibehalten hat, ist berechtigt, diese - auch unter bestimmten Bedingungen - partiell abzuschaffen und den Vorsteuerabzug zu gewähren (vgl. EuGH, Urteil vom 14.6.2001, C-345/99 (Kommission/Frankreich). Art. 176 Unterabs. 2 MwStSystRL erlaubt es einem Mitgliedstaat nicht, die Ausgaben für bestimmte Kfz nach dem 1.1.1979 (bei neuen Mitgliedstaaten nach dem (späteren) Zeitpunkt des Beitritts zur Union) vom Vorsteuerabzug auszuschließen, wenn vorher der Vorsteuerabzug nach ständiger Verwaltungspraxis gewährt wurde. Art. 176 MwStSystRL erlaubt es auch nicht, dass ein Mitgliedstaat einen Vorsteuerausschluss für unentgeltliche Betriebskantinenumsätze an Geschäftspartner und an Unternehmenspersonal nach Inkrafttreten der 6. EG-Richtlinie anwendet, wenn dieser Ausschluss zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie nach einer Verwaltungspraxis nicht tatsächlich anwendbar war (vgl. EuGH, Urteil vom 11.12.2008, C-371/07 (Danfoss und AstraZeneca)).

Wie der EuGH auch festgestellt hat, setzt Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie voraus, dass die Ausschlüsse, die die Mitgliedstaaten beibehalten dürfen, nach der 2. EG-Richtlinie, die der 6. EG-Richtlinie vorausging, rechtmäßig waren (vgl. EuGH, Urteil v. 5.10.1999, C-305/97 (Royscot u. a.)). Zwar sah Art. 11 Abs. 1 der 2. EG-Richtlinie das Vorsteuerabzugsrecht vor, doch Absatz 4 der Vorschrift erlaubte den Mitgliedstaaten, bestimmte Gegenstände und bestimmte Dienstleistungen vom Vorsteuerabzug auszuschließen, und zwar insbesondere die Gegenstände und Dienstleistungen, die ganz oder teilweise für den privaten Bedarf des Unternehmers oder seines Personals verwendet werden können.

 

Entscheidung

Dies ist der Hintergrund für die Frage in den nun entschiedenen Fällen, ob die niederländische Regelung, die vor dem Inkrafttreten der 6. EG-Richtlinie bestand, die Gegenstände oder Dienstleistungen, die vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen waren, hinreichend genau definierte. Dies hat der EuGH bejaht.

Desweiteren hat der EuGH über die jeweils zweite Frage in den Verfahren entschieden. Hier ging es darum, ob die Art. 6 Abs. 2 und 17 Abs. 2 und 6. EG-Richtlinie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die vor Inkrafttreten der Richtlinie erlassen wurde und nach der ein Unternehmer die bei der Inanspruchnahme von Leistungen, die in eine der in den Ausgangsverfahren streitigen Kategorien fallen und teilweise für private und teilweise für unternehmerische Zwecke verwendet werden, anfallende Vorsteuer nicht vollständig abziehen kann, sondern nur entsprechend der Verwendung für geschäftliche Zwecke. ...

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