Leitsatz
1. Art. 11 Abs. 4 der 2. EG-RL und Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-RL sind dahin auszulegen, dass sie der Steuerregelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die den Ausschluss des Vorsteuerabzugs in Bezug auf Arten von Ausgaben wie zum einen das Bereitstellen von "privaten Transportmöglichkeiten", "Speisen" und "Getränken", "Wohnraum" sowie von "Sport und Vergnügungen" für Mitglieder des Personals des Steuerpflichtigen und zum anderen "Werbegeschenke" oder "andere Zuwendungen" vorsieht.
2. Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die vor Inkrafttreten dieser RL erlassen wurde und nach der ein Steuerpflichtiger die bei der Anschaffung bestimmter Gegenstände und der Inanspruchnahme bestimmter Dienstleistungen, die teilweise für private und teilweise für geschäftliche Zwecke verwendet werden, gezahlte Mehrwertsteuer nicht vollständig abziehen kann, sondern nur entsprechend der Verwendung für geschäftliche Zwecke.
3. Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass er einer Änderung eines bestehenden Ausschlusses des Vorsteuerabzugs durch einen Mitgliedstaat nach Inkrafttreten der RL nicht entgegensteht, mit der grundsätzlich die Tragweite des Ausschlusses eingeschränkt werden soll, dabei jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass in einem Einzelfall in einem einzelnen Jahr insbesondere durch den pauschalen Charakter der geänderten Regelung der Anwendungsbereich der Beschränkung des Abzugs erweitert wird.
Normenkette
Art. 11 Abs. 4 2. EG-RL 67/228/EWG, Art. 17 Abs. 2 und 6 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die X-Holding hatte Fahrzeuge mit Vorsteuerabzug erworben; diese waren nur teilweise betrieblichen Zwecken zugeordnet.
Oracle lieferte seinem Personal gegen Bezahlung Speisen und Getränke, mietete für ein Fest des Personals einen DJ an, stellte bestimmten Angestellten teilweise entgeltlich Pkw zur Verfügung, erteilte einen Auftrag zur Wohnungssuche für einen ihrer Angestellten und überreichte unternehmensfremden Dritten einen Golfpass als Werbegeschenk.
Entscheidung
Eine hinreichende Konkretisierung hat der EuGH im Streitfall bejaht für einen Ausschluss bei Gegenständen oder Dienstleistungen, die vom Unternehmer verwendet werden, um seinem Personal "private Transportmöglichkeiten" zur Verfügung zu stellen. Ebenso für den Ausschluss für Verabreichung von "Speisen"und "Getränken" an das Personal des Unternehmers, die Beschaffung von "Wohnraum" für Mitglieder des Personals, Werbegeschenke oder die Gewährung von "anderen Zuwendungen" unter bestimmten Umständen sowie um die Möglichkeit des Personals, an "Sport und Vergnügungen" teilzunehmen.
Er sieht dies durch Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 1 S. 2 der 6. EG-RL bestätigt, wonach bei dem ausstehenden Rechtssetzungsakt des Rats in diesem Bereich auf jeden Fall diejenigen Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen werden, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen.
Hinweis
Das Verfahren betrifft die Reichweite der Stand-Still-Klausel.
1. Nach Art. 11 Abs. 4 der 2. EG-RL konnten "bestimmte Gegenstände und bestimmte Dienstleistungen …. vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen werden, und zwar insbesondere die Gegenstände und Dienstleistungen, die ganz oder teilweise für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen oder seines Personals verwendet werden können". Nach Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-RL legt der Rat "auf Vorschlag der Kommission vor Ablauf eines Zeitraums von vier Jahren nach dem Inkrafttreten dieser RL einstimmig fest, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist. Auf jeden Fall werden diejenigen Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen. Bis zum Inkrafttreten der vorstehend bezeichneten Bestimmungen können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die in den in ihren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser RL bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind." Bisher ist insoweit nichts geschehen.
2. Es dürfen (nur) die Vorsteuerausschlüsse beibehalten werden, die der 6. EG-RL vorausgingen und die nach der 2. EG-RL rechtmäßig waren. Der Ausschluss muss also "bestimmte Gegenstände und bestimmte Dienstleistungen …, und zwar insbesondere die Gegenstände und Dienstleistungen, die ganz oder teilweise für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen oder seines Personals verwendet werden können", betreffen.
Entscheidend für die Reichweite der Stand-Still-Klausel ist daher, ob die (beibehaltene) Beschränkung des Vorsteuerabzugs die Kriterien der 2. EG-RL erfüllte: Die 2. EG-RL ermächtigt zu keiner Beschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug allgemein auf jede Ausgabe für den Erwerb von Gegenständen, unabhängig von ihrer Art und ihrem Zweck, sondern verlangte, dass die Natur oder die Art der Gegenstände und Dienstleistungen, für die der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist...