Leitsatz
Die Bereitstellung von Kureinrichtungen durch eine Gemeinde stellt keine Leistung gegen Entgelt im Sinne der § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dar, wenn die Gemeinde von Besuchern, die sich in der Gemeinde aufhalten, aufgrund einer kommunalen Satzung eine Kurtaxe in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag erhebt, wobei die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Taxe nicht an die Nutzung dieser Einrichtungen, sondern an den Aufenthalt im Gemeindegebiet geknüpft ist und diese Einrichtungen für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 UStG, Art. 2 Abs. 1, Art. 9 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin, ein staatlich anerkannter heilklimatischer Luftkurort, unterhält einen Kurbetrieb. Zur Finanzierung ihres Aufwands für die Herstellung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten Einrichtungen (z.B. Kurpark, Kurhaus, Wege) erhebt sie eine Kurtaxe. Diese Einrichtungen sind für jedermann frei zugänglich; eine Kurkarte wird zum Eintritt nicht benötigt.
In ihren USt-Erklärungen sah die Klägerin die Kurtaxe als Entgelt für eine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit an und begehrte den Vorsteuerabzug aus allen Eingangsleistungen, die mit dem Kurbetrieb zusammenhängen.
Das FA kürzte den Vorsteuerabzug. Vorsteuerbeträge, die das Kurhaus betrafen, wurden nur insoweit berücksichtigt, als das Kurhaus entgeltlich verpachtet wurde. Vorsteuerbeträge aus Eingangsleistungen für Wege, Loipen und andere Einrichtungen außerhalb des Kurparks wurden vom Prüfer nicht zum Vorsteuerabzug zugelassen.
Das FG (FG Baden-Württemberg,Urteil vom 18.10.2018, 1 K 1458/18, Haufe-Index 12446398) wies die Klage ab. Die Klägerin habe gegenüber den Kurgästen keine Leistungen als Unternehmerin erbracht; denn eine Behandlung der Klägerin als Nichtsteuerpflichtige führe nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen.
Hilfsweise führte das FG aus, selbst wenn die Klägerin durch den "Betrieb der Kureinrichtungen" gegen eine Kurtaxe unternehmerisch tätig gewesen sein sollte, fehle es an einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Kosten für die Kureinrichtungen und der (unterstellten) wirtschaftlichen Tätigkeit "Kurbetrieb".
Der BFH rief den EuGH an und stellte Vorlagefragen zum Leistungsaustausch und zum Kurbetrieb (BFH, Beschluss vom 15.12.2021, XI R 30/19, BFH/NV 2022, 782).
Der EuGH entschied mit Urteil Gemeinde A vom 13.7.2023, C‐344/22 (EU:C:2023:580, Haufe-Index 15765193), dass die Bereitstellung von Kureinrichtungen keine Leistung gegen Entgelt ist, wenn die Gemeinde von Besuchern eine Kurtaxe i.H. eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag erhebt, die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Taxe nicht an die Nutzung der Einrichtungen, sondern an den Aufenthalt im Gemeindegebiet geknüpft ist und die Einrichtungen für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Die Klägerin führt keine entgeltlichen Umsätze an die Kurgäste aus und verwendet die Kureinrichtungen daher nicht zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze.
Hinweis
Mit dem Besprechungsurteil setzt der BFH die rechtlichen Vorgaben des EuGH für die Besteuerung von Kurgemeinden um.
Stellt eine Gemeinde Kureinrichtungen jedermann unentgeltlich zur Verfügung, führt sie damit keine entgeltlichen Umsätze aus. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Übernachtungsgäste in der Gemeinde zur Finanzierung der für jedermann frei zugänglichen Kureinrichtungen dadurch herangezogen werden, dass sie pro Übernachtung eine Kurtaxe entrichten müssen. Die zahlenden Übernachtungsgäste erhalten für die Zahlung der Kurtaxe keinen verbrauchsfähigen Vorteil gegenüber der Allgemeinheit.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.10.2023 – XI R 21/23 (XI R 30/19)