Formellen Anforderungen genügende Rechnung notwendig: Der Leistungsempfänger muss bei Geltendmachung des Anspruchs auf Vorsteuerabzug nach der Konzeption des UStG und den damit einhergehenden Anforderungen eine allen formellen Anforderungen genügende Rechnung über die Eingangsleistung besitzen. Die Rechnung ist materiell-rechtliche Voraussetzung des Vorsteuerabzugs.
BFH: anderweitiger Nachweis unbeachtlich: Im Folgenden wird untersucht, ob für den Vorsteuerabzug ein anderweitiger Nachweis anstelle einer Rechnung genügen kann. Der BFH hält einen anderweitigen Nachweis durch den Leistungsempfänger, dass er tatsächlich von einem anderen Unternehmer (dem Leistenden) eine entsprechende Leistung erhalten hat, für unbeachtlich.
Diese Auffassung des BFH steht im Widerspruch zur EuGH-Rechtsprechung. Auch wenn der EuGH am Erfordernis einer "Rechnung" festhält, verstößt die Konzeption des Rechnungserfordernisses nach dem UStG gegen EU-Recht.
Laut EuGH handelt es sich bei den zwingend vorgegebenen Rechnungsangaben (insbesondere Art. 226 MwStSystRL) um eine formelle Voraussetzung für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug.
EuGH: Nachweis auf andere Weise möglich: Nach Auffassung des EuGH ist es möglich, die von der MwStSystRL geforderten Rechnungsangaben und damit die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug auch auf andere Weise nachzuweisen. Es genügt danach für die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs auch der Besitz eines fehlerhaften oder unvollständigen Rechnungsdokuments.
Will ein Unternehmer die Vorsteuer für erhaltene Eingangsleistungen rechtssicher geltend machen, muss vor dem Vorsteuerabzug wegen des Rechnungserfordernisses geklärt sein, ob die Rechnung bereits ursprünglich bei Erhalt der Leistung oder erst später bei der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug fehlte.
Folgen einer fehlenden Rechnung: Anhand der Entscheidung des FG Münster v. 23.3.2022 werden die Folgen einer ursprünglich fehlenden Rechnung oder einer später fehlenden Rechnung auf die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug aufgezeigt.
Für die Problemlösung ist entscheidend, wer die Darlegungs- und Feststellungslast für alle Tatsachen trägt, die den Vorsteuerabzug begründen.
Werden anderweitige gerichtsfeste Nachweise notwendig, sollten sich diese darauf konzentrieren, dass der Leistungsempfänger die für den Vorsteueranspruch erforderliche (ordnungsgemäße) Original-Rechnung mit offenem Steuerausweis besessen hatte.
Abschließend wird mit Bezug auf die Verfahrensregeln klargestellt, dass nicht das Festsetzungsverfahren, sondern das Billigkeitsverfahren in Betracht kommt, sollte unter Gutglaubensgesichtspunkten ein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden müssen.