Der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug geltend macht, hat die Darlegungs- und Feststellungslast für alle Tatsachen, die den Vorsteuerabzug begründen. Danach hat er auch darzulegen und nachzuweisen, dass er eine ordnungsgemäße Rechnung in Besitz hatte.
Ein rechtssicherer Vorsteuerabzug eines Unternehmers beginnt mit der rechtzeitigen Beweisvorsorge, z.B. durch seine GoBD-konforme Verfahrensdokumentation.
Vom Lieferanten angebotene OR-Geschäfte sind strikt abzulehnen. Der Unternehmer stellt seine Integrität mit der schriftlich dokumentierten Ablehnung des Angebots eines OR-Geschäfts des Lieferanten unter Beweis.
Bereits bei Abschluss des Einkaufvertrages wird die Grundlage für eine rechtssichere Abwicklung einschließlich der Abrechnung gelegt. Der unterzeichnete Vertrag muss klar und eindeutig regeln, ob und bis wann der Lieferant die Rechnung legt oder ob und bis wann eine Gutschrift durch den Leistungsempfänger erteilt wird.
Um das Fehlen der Eingangs-Rechnung möglichst zeitnah nach dem Empfang der Leistung feststellen zu können, erscheint es sinnvoll zu sein, die unternehmensinternen Abläufe bezüglich der Eingangsleitungen und -rechnungen so zu regeln, dass Mängel bei der Warenannahme und Rechnungslegung unverzüglich gerügt werden können.
Dazu gehört vornehmlich, dass die Bezahlung des Lieferanten den Erhalt einer ordnungsgemäßen Rechnung, deren Kontrolle und Freigabe voraussetzt. Erfüllt die Rechnung nicht die gesetzlichen Anforderungen, ist unverzüglich eine neue ordnungsgemäße Eingangs-Rechnung vom Lieferanten anzufordern und ihre Bezahlung wird bis zur Vorlage einer beanstandungsfreien Rechnung ausgesetzt.
Bei Delegation der Verantwortung auf Mitarbeiter obliegt es dem Unternehmer, die Leistungen der Mitarbeiter in regelmäßigen Abständen auf Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen und unternehmensinternen Vorgaben zu kontrollieren und zu dokumentieren. Bei festgestellten Abweichungen sind unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Der Unternehmer hat wiederum zu prüfen, dass seine Anweisungen umgesetzt wurden.
Die Eingangs-Rechnungen werden unter Beachtung der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen dauerhaft zugänglich und lesbar aufbewahrt. Rechnungskopien werden in separaten Ordnern archiviert, damit der erforderliche Nachweis des Besitzes einer eventuell verlorenen Original-Rechnung geführt werden kann.
Sind unvorhersehbare Schadensereignisse (z.B. Hochwasser, Feuer, Vandalismus) die Ursache für den Verlust der Eingangsrechnung und der Rechnungskopie, bietet es sich an, unverzüglich Ersatz vom Lieferanten anzufordern.
Das setzt allerdings voraus, dass der Lieferant noch aktiv am Markt tätig ist und er über die fragliche Lieferung eine Ausgangsrechnung erteilt und er ein Doppel dieser Ausgangsrechnung gem. § 14b Abs. 1 UStG aufbewahrt hat. In der Regel dürfte das gelingen, weil der Lieferant einer zehnjährigen Aufbewahrungsfrist unterliegt.
Beschränkt sich die Nachforderung der Rechnung auf einen Einzelfall, zeigen sich die Lieferanten im Allgemeinen kulant. Wenn Eingangs-Rechnungen eines oder mehrerer Jahre fehlen, entstehen für die Nacherstellung der Ursprungs-Rechnungen erhebliche Kosten, die vom anfragenden Unternehmer getragen werden müssen. Das gilt es zu bedenken.
Die strikte Einhaltung intern strukturierter Abläufe zur Prüfung und Freigabe von Eingangs-Rechnungen dienen der Beweisvorsorge, um den Vorsteuerabzug nachhaltig zu sichern.
Ein reines OR-Geschäft, das stets in Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung und einem Betrug zu betrachten ist, wird auf Lieferantenseite in der Regel an dem WWS vorbei ohne eine ursprüngliche Rechnung und ohne Verbuchung der Bareinnahme abgewickelt. Der Leistungsempfänger erfasst weder den Wareneingang noch die Barzahlung des Eingangsumsatzes als Betriebsausgabe.
Davon zu unterscheiden sind vorgeschobene, vermeintliche OR-Geschäfte, bei dem der Leistende eine Rechnung ohne Empfängernamen erzeugt, sie dem Empfänger für die Bareinzahlung ausgehändigt hat, und die danach vernichtet worden ist. Der Lieferant erfasst diesen Verkaufsvorgang als Barverkauf. Die weitere Sachaufhellung ist sachdienlich, weil nur durch sie die Frage beantwortet werden kann, ob eine ursprünglich oder eine später fehlende Rechnung vorliegt.
Die Wiederherstellung eines Debitorenkontos beim Lieferanten zeigt an, dass die Zuordnung der Barverkäufe zur Kioskbetreiberin (Kundin) möglich ist. Das spricht dafür, dass auch bei vorgeschobenen OR-Geschäften ursprüngliche Rechnungen der Kundin vorgelegen haben, die von der Kundin bezahlt wurden. Der Lieferant ist im Rahmen eines Vorlageersuchens aufzufordern, die ursprünglichen Rechnungen und die Bezahlung der Bruttobeträge vorzulegen. Es ist der Lieferant rein vorsorglich darauf hinzuweisen, dass eventuelle Gefälligkeitsbescheinigungen IT-Sonderprüfungen nach sich ziehen, sollten die ursprünglichen Rechnungen und deren vollständige Bezahlung inkl. Umsatzsteuer nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt werden.