Sachverhalt
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob Österreich mit Wirkung vom 15.2.1996 und damit nach seinem Beitritt zur EU (1.1.1995) regeln konnte, dass für bestimmte Fahrzeuge der Vorsteuerabzug entgegen der bis dahin geübten Verwaltungspraxis ausgeschlossen ist.
Seit dem 1.1.1978 sind in Österreich Leistungen im Zusammenhang mit der Anschaffung, der Miete oder dem Betrieb von Pkw grundsätzlich vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Mit einem Erlass des österreichischen BMF vom 18.11.1987 war bestimmt worden, dass von diesem Vorsteuerausschluss Kleinbusse nicht betroffen sind. Als Kleinbusse wurden auch eine Reihe von Pkw angesehen, die heutzutage als "Van" bezeichnet werden. In einer Verordnung wurde mit Wirkung vom 15.2.1996 der Begriff der Klein-Autobusse neu definiert, die nicht unter die Vorsteuerausschluss-Regelung fallen. Im Zuge dessen wurde den Klägern der Vorsteuerabzug für Ihre Fahrzeuge versagt, weil diese nicht mehr den Begriff des Klein-Autobusses erfüllten.
Das Vorlagegericht wollte wissen, ob es einem Mitgliedstaat nach Artikel 17 Abs. 6
Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie verwehrt ist, Pkw-Kosten nach dem In-Kraft-Treten der Richtlinie vom Vorsteuerabzug auszuschließen, wenn zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Vorsteuerabzug aufgrund der von der Verwaltung geübten Praxis gewährt wurde. Des Weiteren legte das Gericht eine Frage zur Auslegung von Art. 17 Abs. 7 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie vor. Es wollte wissen, ob die Regelung es einem Mitgliedstaat ohne vorherige Konsultation i.S.d. Art. 29 der 6. EG-Richtlinie erlaubt, Vorsteuerausschlüsse zur Konsolidierung des Haushalts auszuweiten und dies ohne zeitliche Begrenzung vorzusehen.
Entscheidung
Nach dem EuGH-Urteil war der Vorsteuerausschluss sowohl nach Art. 17 Abs. 6 als auch nach Art. 17 Abs. 7 unzulässig. Erstmals präzisiert hat der EuGH, dass mit dem Begriff des In-Kraft-Tretens der Richtlinie i.S.v. Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie das Datum gemeint ist, zu dem die Richtlinie in dem jeweiligen Mitgliedstaat in Kraft getreten, d.h. in nationales Recht umgesetzt worden ist. Für Österreich ist insoweit das Datum 1.1.1995 maßgeblich.
Des Weiteren hat der EuGH seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass die Mitgliedstaaten bestehende Vorsteuerausschlüsse nicht erweitern dürfen. Die Mitgliedstaaten sind lediglich nach Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie ermächtigt, bis zum Erlass einer gemeinschaftlichen Regelung alle nationalen Regelungen über den Vorsteuerausschluss beizubehalten, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der 6. EG-Richtlinie tatsächlich angewandt wurden. Das bedeutet, eine Verwaltungsregelung, die einen Vorsteuerausschluss regelte, zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der 6. EG-Richtlinie jedoch nicht mehr in Kraft war, kann nach diesem Zeitpunkt nicht wieder aufleben.
Mit seiner Entscheidung hat der EuGH sich auch erstmals zu Art. 17 Abs. 7 der 6. EG-Richtlinie geäußert. Mitgliedstaaten die von dieser Regelung Gebrauch machen wollen, müssen vorher den Mehrwertsteuer-Ausschuss konsultierten. Dies ist eine Verfahrensverpflichtung, die erfüllt sein muss, damit sich ein Mitgliedstaat gegenüber seinen Steuerpflichtigen auf die Ausnahmeregelung berufen kann.
Die Entscheidung hat für das deutsche Umsatzsteuerrecht keine unmittelbaren Folgen, sie bestätigt jedoch, dass die mit Wirkung vom 1.1.1999 eingeführte Vorsteuerbeschränkung für Pkw (§ 15 Abs. 1b UStG) nicht gemeinschaftskonform ist. Hierüber hat der EuGH noch zu entscheiden (Rechtssache C-17/01).
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 08.01.2002, C-409/99
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