Leitsatz
Dem EuGH werden folgende Fragen zur Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG vorgelegt:
1. Erbringt eine Personengesellschaft bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage an diesen eine Leistung gegen Entgelt i.S.d. Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL?
2. Liegt in diesem Fall ein Hilfsumsatz gem. Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-RL vor und kann sich der Steuerpflichtige auf die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-RL berufen, wonach derartige Hilfsumsätze den Vorsteuerabzug nicht ausschließen?
Normenkette
§ 4 Nr. 8 Buchst. f UStG , § 15 UStG , Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 6. RG-RL , Art. 17 Abs. 2 und 5 6. EG-RL , Art. 19 6. EG-RL
Sachverhalt
An der Klägerin, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sind mehrere natürliche Personen sowie zwei GmbHs beteiligt. Zweck der Gesellschaft war der Erwerb eines Erbbaurechts an einem Grundstück, dessen Bebauung mit Gebäuden, die Teil eines Einkaufszentrums sind und die Vermietung und Verpachtung sowie die Instandhaltung dieser Gebäude. Die Klägerin sollte als geschlossener Immobilienfonds geführt werden.
Nachdem ein Gesellschafter seine Beteiligung an der Klägerin in Höhe des Gesamtbetrags der Bareinlagen erklärt hatte, beschlossen die Gesellschafter der Klägerin die endgültige Fassung des Gesellschaftsvertrags. Der Rechtsanwalt der Klägerin stellte für die rechtliche Beratung, betreffend das Fondskonzept und die Gesellschaftsgründung, einschließlich der Vertragsgestaltung 75 000 DM zzgl. 10 500 DM gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Rechnung. Das FA versagte den Vorsteuerabzug.
Entscheidung
1. Der BFH neigt, seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung folgend, dazu, bei Gründung einer Personengesellschaft und beim Eintritt in eine solche, eine Leistung der Gesellschaft gegen Entgelt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG anzunehmen. Zweifel an dieser Rechtsauffassung bestünden aber, da die Aufnahme des Gesellschafters nicht aufgrund eines Vertrags mit der Gesellschaft, sondern aufgrund eines Gesellschaftervertrags der Gesellschafter untereinander erfolgt sei. Möglich sei daher eine am Zivilrecht orientierte Betrachtungsweise, wonach der Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil nur von den Gesellschaftern, nicht aber von der Gesellschaft und damit nicht als deren Leistung erhalten habe.
2. Gehe man von dem Vorliegen einer Leistung aus, so sei diese Leistung jedoch nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfrei mit einem grundsätzlich daraus folgenden Vorsteuerabzugsverbot. Unter Beachtung der Vorgaben aus Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-RL neigt der BFH dazu, den obigen Umsatz als Hilfsumsatz zu qualifizieren. Gehe man von einem Hilfsumsatz im Bereich eines Finanzgeschäfts aus, sei der Vorsteuerabzug nicht ausgeschlossen. Die Aufnahme von Gesellschaftern sei keine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit eines Unternehmens (im Streitfall: der beabsichtigten Vermietung und Verpachtung), sondern Voraussetzung für die Aufnahme dieser Tätigkeit. Sie diene der Aufnahme von Eigenkapital und dürfe wegen des Grundsatzes der Neutralität der Umsatzsteuer den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.
Hinweis
Die Aufnahme von Gesellschaftern in eine Gesellschaft sowohl bei Gründung als auch zu einem späteren Zeitpunkt kann Vorsteuern produzieren. Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen die Gesellschaft den Vorsteuerabzug geltend machen kann. Erste unabdingbare Voraussetzung ist die Annahme eines Ausgangsumsatzes, der in der Gewährung von Gesellschaftsrechten besteht.
Der BFH hat bisher sowohl bei der Gesellschaftsgründung als auch bei späterer Aufnahme eines Gesellschafters gegen eine Sach- oder Bareinlage eine sonstige Leistung gegen Entgelt durch die Gesellschaft in ständiger Rechtsprechung bejaht. Dies galt sowohl für Kapital- als auch für Personengesellschaften. Da aber unter einer am Zivilrecht orientierten Betrachtungsweise im Bereich der Personengesellschaft die Aufnahme des Gesellschafters nicht aufgrund eines gegenseitigen Vertrags mit der Gesellschaft, sondern nur zwischen den Gesellschaftern erfolge, sei zweifelhaft, ob die obige Rechtsprechung des BFH unter Beachtung der Vorgaben der 6. EG-RL Bestand haben könne.
Der zweite Teil der Vorlage betrifft die Frage nach dem maßgeblichen Verwendungsumsatz. Bisher hat die Verwaltung (vgl. OFD Erfurt, Verfügung vom 21.7.1997 – S 7104 A – 11 – St 34) danach unterschieden, ob die den Vorsteuerabzug ermöglichende Eingangsleistung unmittelbar die Ausgabe von Gesellschaftsanteilen betraf oder nicht. Für den Fall der Gründung wurde der maßgebliche Verwendungsumsatz wirtschaftlich mit der nachfolgenden unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft gesehen und der Vorsteuerabzug grundsätzlich ermöglicht. Etwas anderes sollte alleine für den Fall der sog. Publikumsgesellschaft gelten. Deren Gründungs-, Konzeptions-, Marketing- und Vertriebskosten sollten stets vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sein, da bei diesen Gesellschaften alleine die Kapitalerhöhung im Vordergrund stehe (vgl. BMF-Schreiben vom 10.8...