Sachverhalt
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob für die nach Aufgabe eines Unternehmens noch entstehenden Kosten, denen sich der Geschäftsaufgebende nicht entziehen kann, noch der Vorsteuerabzug möglich ist bzw. ob für den Zeitraum, in dem diese Kosten noch entstehen, die Unternehmereigenschaft fort gilt.
Der Kläger hatte 1989 ein Restaurant eröffnet und zu diesem Zweck - beginnend im Mai 1988 - einen gewerblichen Mietvertrag für einen Zeitraum von zehn Jahren abgeschlossen, der von beiden Mietvertragsparteien nicht gekündigt werden konnte. Wegen zunehmender Umsatzrückgänge wurde das Restaurant Ende des Jahres 1993 geschlossen. Danach blieben die Geschäftsräume ungenutzt. Nach Einstellung des Restaurantbetriebes gab der Kläger weiterhin Umsatzsteuererklärungen ab, in denen er den Vorsteuerabzug aus der fortlaufenden Miete, den Energiekosten und Telefonkosten beantragte. Ein Versuch des Klägers, einen Nachmieter für die Geschäftsräume zu finden, scheiterte an den Mietforderungen des Vermieters. Die beklagte Finanzbehörde hatte zunächst - offenbar ohne nähere Prüfung - den Vorsteuerabzug weiterhin gewährt, dann jedoch die Rückzahlung der Vorsteuerbeträge für die Zeit ab der Aufgabe des Geschäftsbetriebes (Ende 1993) gefordert.
Entscheidung
Der EuGH hat unter Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung (vgl. EuGH, Urteil v. 22.2.2001, C-408/98 (Abbey National) und EuGH, Urteil v. 29.2.1996, C-110/94 (INZO) entschieden, dass die streitigen Kosten auch nach der Geschäftsaufgabe noch unternehmerisch veranlasst sind und daher prinzipiell zum Vorsteuerabzug berechtigen. Jede andere Auslegung liefe auf eine willkürliche Unterscheidung zwischen Ausgaben für die Zwecke eines Unternehmens vor der tatsächlichen Aufnahme der Tätigkeit sowie während dieser Tätigkeit und Ausgaben zum Zweck der Beendigung dieser Tätigkeit hinaus. Ein Verbot des Vorsteuerabzugs ist bei dem hier vorliegenden Sachverhalt nur in Fällen von Betrug oder Missbrauch denkbar. Das wäre z. B. dann der Fall, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Miet- und Nebenkostenzahlungen für die Zeit nach der Einstellung des Restaurantbetriebs den Vorsteuerabzug geltend machen, aber die zuvor für das Restaurant verwendeten Räume für rein private Zwecke nutzen würde.
Da der EuGH die Unternehmereigenschaft und damit das Vorsteuerabzugsrecht prinzipiell bejaht, musste er sich nicht mit der Frage beschäftigen, ob es von Bedeutung ist, ob der Geschäftsaufgebende für die Restlaufzeit des Mietvertrages aktiv versucht, die Mietsache zu nutzen oder sich der Mietsache zu entledigen und ob es von Bedeutung ist, wie lange der Mietvertrag nach der tatsächlichen Aufgabe des Geschäftsbetriebes noch fortbesteht.
Mit der Frage, wann die Unternehmereigenschaft endet, hatte der EuGH sich bisher noch nicht befasst. Dagegen gibt es zum Beginn der Unternehmereigenschaft schon mehrere Entscheidungen. Nach dem EuGH, Urteil v. 14.2.1985, 268/83 (Rompelman) sind vorbereitende Tätigkeiten zur Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit, wie der Erwerb der für die Nutzung erforderlichen Mittel und damit der Kauf eines Grundstücks, bereits der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie zuzurechnen. Die Unternehmereigenschaft beginnt danach nicht erst mit dem ersten Ausgangsumsatz des Unternehmens. Dem Unternehmer steht der Vorsteuerabzug jedoch nur für Leistungsbezüge als Unternehmer (für seine wirtschaftliche Tätigkeit) zu. Nach dem EuGH, Urteil v. 26.9.1996, C-230/94 (Enkler) muss der Unternehmer für das Recht auf Vorsteuerabzug nachweisen, dass die Art des erworbenen Gegenstandes sich für Zwecke der unternehmerischen Tätigkeit eignet. Wird ein Gegenstand üblicherweise ausschließlich wirtschaftlich genutzt, ist dies im Allgemeinen ein ausreichendes Indiz dafür, dass sein Eigentümer ihn für Zwecke wirtschaftlicher Tätigkeiten und folglich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen nutzt. Kann ein Gegenstand dagegen seiner Art nach sowohl zu wirtschaftlichen als auch zu privaten Zwecken verwendet werden, kann die Finanzbehörde alle Umstände seiner Nutzung prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet wird. Nach dem EuGH, Urteil v. 29.2.1996, C-110/94 (INZO) kann die Unternehmereigenschaft grundsätzlich nicht rückwirkend mit der Begründung abgelehnt werden, dass es nicht zur Ausführung entgeltlicher Leistungen gekommen ist. Demnach ist auch eine auf Erzielung von Einnahmen gerichtete, jedoch erfolglose Tätigkeit eine unternehmerische Tätigkeit, die zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Hinweis
Der EuGH hat sich bei seiner Entscheidung wiederum vom Neutralitätsprinzip der Mehrwertsteuer leiten lassen. Danach muss der Unternehmer durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Bei Nichtentlastung der Investitionskosten würde ansonsten willkürlich zwischen investiven Ausgaben vor und während der tatsä...