a) Gesetzliche Neuregelung
Rz. 152
Die geänderte Rechtsprechung aus 2001 führte zur Schaffung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG. Danach ist eine Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzverhältnis "nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist."
Rz. 153
Diese durch das StÄndG 2003 eingeführte Vorschrift bezweckte nach ihrer amtlichen Gesetzesbegründung, die Verwendung des Umsatzschlüssels als alleinigen Aufteilungsmaßstab einzuschränken. Nur wenn keine andere wirtschaftliche Zuordnung möglich sei, sollte der Umsatzschlüssel zugelassen werden.
Rz. 154
Da die Neuregelung allgemein auf das "Verhältnis der Umsätze" abstellte, bezog sie sich nicht nur auf die Aufteilung nach dem Gesamtumsatz des Unternehmens, sondern auch auf die Aufteilung nach dem objektbezogenen Umsatz. Hierfür spricht insbesondere, dass ansonsten das mit der Neuregelung verfolgte Ziel der Korrektur der BFH-Rechtsprechung aus dem Jahr 2001 nicht zu erreichen gewesen wäre. Denn würde sich § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG nur auf den Gesamt-umsatz des Unternehmens beziehen, hätte die Neuregelung nach den Verhältnissen des Beispielsfalls nur die Lösung A, nicht aber auch die Lösung C ausgeschlossen und damit ihr Regelungsziel verfehlt.
Rz. 155
Beurteilung nach dem gesetzgeberischen Ziel 2004
Nach dem mit § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG verbundenen Regelungsziel sollte zur ursprünglichen Betrachtung nach dem UStG 1980 zurückgekehrt werden, so dass nur eine Vorsteueraufteilung nach der Fläche entsprechend der Lösung B in Betracht kam.
b) BFH-Rechtsprechung
aa) Rechtsprechungsänderung 2014
Rz. 156
Unklar war, ob die Neuregelung unionsrechtskonform ist. Nach Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH und einem ersten, teilweise aber schnell wieder aufgegeben Interpretationsversuch kam es zu einer Klärung durch das BFH-Urteil v. 7.5.2014, das nach einer Wartezeit von acht Jahren schließlich auch im BStBl. veröffentlicht wurde.
Rz. 157
- Im "andersgearteten normativen Kontext" des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG sah der BFH auch die Vorsteueraufteilung nach dem Gesamtumsatz des Unternehmens als Methode wirtschaftlicher Zurechnung i.S.v. § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG an. Bei richtlinienkonformer Auslegung handele es sich somit auch bei dem Gesamtumsatzschlüssel um eine sachgerechte Aufteilungsmethode i.S.v. § 15 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 UStG.
Rz. 158
- In Bezug auf § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG interpretierte der BFH den Wortlaut der Regelung, nach dem eine Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzverhältnis "nur zulässig [ist], wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist", aus Gründen des Unionsrechts dahingehend um, dass die nicht umsatzbezogene wirtschaftliche Zurechnung präziser als eine umsatzbezogene wirtschaftliche Zurechnung sein muss. Somit kommt es nicht in Betracht, aus dem bloßen Vorhandensein einer nicht umsatzbezogenen sachgerechten Schätzung auf die Unzulässigkeit einer umsatzbezogenen sachgerechten Schätzung zu schließen.
Rz. 159
- Im Hinblick auf die damit maßgebliche Frage der größeren Präzision orientierte sich der BFH an seiner früheren Rechtsprechung, nach der über die Sachgerechtigkeit der Vorsteueraufteilung durch entweder Flächen- oder objektbezogenen Umsatzschlüssel bei Gebäuden nach den Ausstattungsunterschieden entschieden wurde (Rz. 143 ff.). Diese durch die Anerkennung beider Methoden als sachgerecht bereits aufgegebene Rechtsprechung (Rz. 149 f.) erfuhr somit für Zwecke der Anwendung von § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG – nicht aber für Zwecke von § 15 Abs. 4 Satz 1 und 2 UStG – eine Wiederbelebung. Auf dieser Grundlage bejahte der BFH bei der Vorsteueraufteilung für Gebäude die größere Präzision des Flächenschlüssels gegenüber dem objektbezogenen Umsatzschlüssel für den Fall, dass die Flächen des Gebäudes keine Ausstattungsunterschiede aufweisen.
bb) Bedeutung des BFH-Urteils
Rz. 160
Bei der Bewertung des BFH-Urteils v. 7.5.2014 ist Folgendes hervorzuheben:
Rz. 161
Erstmaliger Entscheidungsgegenstand: Erstmals (s. aber auch Rz. 156) hatte sich der BFH zur Auslegung von § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG zu äußern. Hier kommt das aus dieser Vorschrift abgeleitete Präzisionserfordernis zum Tragen, das nach dem Urteil zu einem nur eingeschränkten und dabei auf das Fehlen von Ausstattungsunterschieden bezogenen Vorrang des Flächenschlüssels führt.
Rz. 162
Ohne Änderung: Demgegenüber ist dem Urteil keine Aussage zur Sachgerechtigkeit des Flächen- und des objektbezogenen Umsatzschlüssels zu entnehmen. Daher folgt aus dem Urteil auch keine Aufgabe der BFH-Rechtsprechung aus 2001 zu § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG (Rz. 149 f.) zur gleichrangigen Sachgerechtigkeit dieser beiden Aufteilungsmethoden und der dem Unternehmer insoweit eingeräumten Entscheidungsmöglichkeit zur Wahl zwischen diesen Aufteilungsmethoden. Dies kam auch im Hinblick auf die Systematik des § 15 Abs. 4 UStG, dessen Satz 3 nur sachgerechte Aufteilungsmaßstäbe i.S.d. Satzes 2 als Aufteilungsmethode ausschließt (Rz. 138), nicht in Betracht. Somit folgt aus dem Ausschluss einer Aufteilungsmethode nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG nicht, dass die ...