Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
Die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse (steuerpflichtige Verwendungsumsätze) ändern sich i.S.d. § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG, wenn sich der Steuerpflichtige nachträglich innerhalb des Berichtigungszeitraums auf die Steuerfreiheit seiner Verwendungsumsätze gem. Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL beruft.
Normenkette
§ 15a Abs. 1 Satz 1 UStG, § 44 Abs. 1 und 3 UStDV, Art. 13 Teil B Buchst. f, Art. 20 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, führte in den Jahren 1995 bis 1997 sowie im Jahr 1998 (Streitjahr) Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit aus. Sie behandelte diese Ausgangsumsätze in den USt-Erklärungen für diese Jahre als steuerpflichtig und machte erfolgreich Vorsteuerbeträge aus dem Erwerb von Wirtschaftsgütern (Geldspielautomaten usw.) geltend.
Im Jahr 2003 beantragte die Klägerin, den USt-Bescheid für das Streitjahr 1998 zu ändern und die Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit steuerfrei zu belassen.
Dem folgte das FA, nachdem der EuGH entschieden hatte, dass sich Veranstalter von Glücksspielen unmittelbar auf die Steuerfreiheit ihrer Umsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL berufen können. Zugleich berichtigte das FA nach § 15a UStG die in den Kalenderjahren 1995 bis 1997 (Abzugsjahre) abgezogenen Vorsteuerbeträge zulasten der Klägerin.
Die anschließende Klage gegen die Vorsteuerkorrektur hatte keinen Erfolg (FG Köln, Urteil vom 13.5.2009, 13 K 1501/07, Haufe-Index 2198577, EFG 2009, 1604).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Auffassung des FA und des FG, dass im Streitjahr 1998 eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG zulasten der Klägerin für die von ihr in den Abzugsjahren 1995 bis 1997 bezogenen Wirtschaftsgüter vorzunehmen ist.
Allerdings setzte der BFH die Steuer herab, weil der Vorsteuerberichtigungsbetrag in dem angefochtenen Bescheid zu hoch angesetzt worden war. Denn nach § 44 Abs. 1 UStDV entfällt eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG, wenn die auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts entfallende Vorsteuer 500 DM nicht übersteigt. Ferner ist die Berichtigung des Vorsteuerabzugs für alle in Betracht kommenden Kalenderjahre einheitlich (erst) bei der Berechnung der Steuer für das Kalenderjahr vorzunehmen, in dem der maßgebliche Berichtigungszeitraum endet, wenn die auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts entfallende Vorsteuer nicht mehr als 2.000 DM beträgt (§ 44 Abs. 3 UStDV). Diese Vorschriften waren – was bislang übersehen worden war – im Streitfall anwendbar.
Hinweis
Der Abzug der USt auf Lieferungen von Wirtschaftsgütern, die der Unternehmer für sein Unternehmen bezieht (Eingangsumsätze) als Vorsteuer setzt nach § 15 UStG u.a. voraus, dass der Unternehmer diese Eingangsumsätze zur Ausführung von steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen verwendet bzw. zu verwenden beabsichtigt (steuerpflichtige Verwendungsumsätze).
Derartige steuerpflichtige Verwendungsumsätze liegen dann nicht (mehr) vor, wenn der Unternehmer nachträglich von seinem Recht Gebrauch macht, sich auf eine – nach nationalem USt-Recht (UStG) nicht gegebene, aber – nach dem Unionsrecht bestehende Steuerfreiheit seiner Verwendungsumsätze zu berufen.
Diese Berufung des Unternehmers auf eine unionsrechtliche Steuerbefreiung führt einerseits dazu, dass in den nachfolgenden Besteuerungszeiträumen auf seine Ausgangsumsätze keine Umsatzsteuer mehr anfällt.
Die Berufung des Unternehmers auf eine unionsrechtliche Steuerbefreiung hat aber (folgerichtig) andererseits Auswirkungen auf den gewährten Vorsteuerabzug, wenn sie innerhalb des sog. Berichtigungszeitraums von 5 Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung des Wirtschaftsguts (bei Grundstücken innerhalb von 10 Jahren) geschieht. Sie lässt zwar den Vorsteuerabzug in den Besteuerungszeiträumen des Leistungsbezugs bestehen, führt aber für den Zeitraum nach der Berufung auf die Steuerfreiheit zu einer anteiligen Korrektur (Rückzahlung) des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.10.2011 – XI R 16/09