Leitsatz
Wird das Entgelt für eine während des Bestehens einer Organschaft bezogene Leistung nach Beendigung der Organschaft uneinbringlich, ist der Vorsteuerabzug nicht gegenüber dem bisherigen Organträger, sondern gegenüber dem im Zeitpunkt des Uneinbringlichwerdens bestehenden Unternehmen – dem früheren Organ – zu berichtigen.
Normenkette
§ 2 Abs. 2 Nr. 2, § 17 Abs. 2 Nr. 1, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1993
Sachverhalt
Der Kläger hielt die Mehrheitsbeteiligung an der K-GmbH (Holding-GmbH) und diese hielt alle Anteile an der I-GmbH. Die I-GmbH machte 1992 Vorsteuer aus einer Rechnung der Z-GbR geltend. Der Kläger versteuerte für 1992 als Organträger den Umsatz der I und machte gleichzeitig den Vorsteuerabzug geltend. Die Organschaft zwischen dem Kläger und der I endete 1993 durch Verkauf der Beteiligung an Z. 1996 wurde die Konkurseröffnung über das Vermögen der I mangels Masse abgewiesen.
Das FA wollte 1996 gegenüber dem Kläger die Vorsteuer berichtigen. Das FG bestätigte das.
Entscheidung
Die Revision hatte Erfolg. Denn bei Uneinbringlichkeit des Entgelts wegen der Zahlungsunfähigkeit der I im Jahr 1996 war der Kläger nicht mehr Organträger. Die Berichtigung traf daher nur die I. Dass umsatzsteuerrechtlich aus "Vereinfachungsgründen" während des Bestehens der Organschaft die Umsätze und Vorsteuerbeträge zusammengefasst und nur gegenüber dem Organträger festgesetzt werden, ändert nichts daran, dass der betreffende Steueranspruch tatsächlich durch die Tätigkeit der Organgesellschaft verwirklicht worden ist und mit dem Ende der Organschaft die umsatzsteuerrechtliche "Vereinfachungsregelung" nicht mehr gilt.
Hinweis
Wird das Entgelt für einen Umsatz uneinbringlich, hat nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG "der Unternehmer, an den Umsatz ausgeführt worden ist", den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug zu berichtigen.
Diese Berichtigung ist nach Satz 3 der Vorschrift für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage – hier die Uneinbringlichkeit des Entgelts – eingetreten ist.
§ 17 UStG regelt einen eigenständigen materiell-rechtlichen Berichtigungstatbestand gegenüber den Änderungsvorschriften der AO. Liegen die Voraussetzungen für eine Berichtigung vor (z.B. durch Uneinbringlichkeit des Entgelts), führt dies nicht zu einer rückwirkenden Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung; dieser Sachverhalt ist vielmehr (als unselbstständige Besteuerungsgrundlage nach § 157 Abs. 2 AO) in der USt-Festsetzung für den maßgeblichen Besteuerungszeitraum (§ 17 Abs. 1 UStG) zu berücksichtigen.
Der anfänglich nach "Soll"-Besteuerungsgrundsätzen vorgenommene Vorsteuerabzug ist (lediglich) tatbestandliche Voraussetzung der materiellen Regelung nach § 17 UStG.
Die Formulierung in § 17 UStG "der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat" bzw. "der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde", bezeichnet nur den Unternehmer auf der jeweiligen Seite der Leistungsbeziehung (ausführender – empfangender Unternehmer). Dies hat darüber hinaus keine materielle Bedeutung. Andernfalls müsste in Fällen der Geschäftsveräußerung im Ganzen oder der Rechtsnachfolge (z.B. durch Einbringung eines Unternehmens in eine Gesellschaft) immer auf den "damals" ausführenden oder empfangenden Unternehmer zurückgegriffen werden, wenn nach der Geschäftsveräußerung oder der Einbringung vom neuen Unternehmer Preisnachlässe gewährt werden oder in seiner Person Entgelte uneinbringlich werden.
Ein derartiges Ergebnis lässt sich aus § 17 UStG nicht ableiten.
§ 17 UStG 1993 setzt Art. 11 Teil C Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 der 6. EG-RL um. Wie sich insbesondere aus Art. 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 2 und Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 Halbsatz 1 und Satz 2 ergibt, haben die Mitgliedstaaten dabei einen sehr weiten Ermessensspielraum, sodass die nationale Ausgestaltung des "actus contrarius" zur "Soll"-Versteuerung als materieller Besteuerungstatbestand keinen europarechtlichen Bedenken begegnet.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.12.2006, V R 2/05