Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Zusammenfassung
Der Bundestag hat am 17.11.2023 das Wachstumschancengesetz verabschiedet, das bis zum Jahresende das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen soll. Darin werden neben zahlreichen weiteren Änderungen mit den neu in die Abgabenordnung aufgenommenen §§ 138l bis 138n AO-E die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine Anzeigepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen geschaffen.
1 Allgemeines zur Anzeigepflicht
Mit §§ 138l – 138 n AO-E soll eine Pflicht zur Mitteilung bestimmter innerstaatlicher Steuergestaltungen eingeführt werden, die sich eng an den gesetzlichen Bestimmungen zur Mitteilungspflicht über grenzüberschreitende Steuergestaltungen nach §§ 138d bis 138h AO anlehnt.
§ 138l AO E definiert mit umfangreichen Regelungen den Begriff der innerstaatlichen Steuergestaltung näher, erläutert, wer Nutzer einer innerstaatlichen Steuergestaltung ist, und stellt dar, wann eine Verpflichtung zur Mitteilung besteht. Der zur Mitteilung verpflichtete Personenkreis wird in § 138m AO-E definiert. Den Ablauf des Verfahrens und den Inhalt der Mitteilung regelt § 138n AO-E.
1.1 Zeitliche Anwendung der Anzeigepflicht
Zur zeitlichen Anwendung der Neuregelung enthält Art. 97 § 33 Abs. 7 EGAO-E die Regelung, dass das BMF ermächtigt werden soll, den erstmaligen Anwendungszeitpunkt der neuen Mitteilungspflichten durch ein im Bundessteuerblatt Teil I bekanntzumachendes Schreiben zu bestimmen. Der Mitteilungspflicht über innerstaatliche Steuergestaltungen sollen danach auch nur solche Steuergestaltungen unterliegen, in denen das die Mitteilungspflicht auslösende Ereignis nach dem durch das BMF zu bestimmenden erstmaligen Anwendungszeitpunkt eingetreten ist.
Es ist eine Zeitspanne von mindestens einem Jahr zwischen dem Tag der Bekanntmachung der Anwendungsbestimmung im BGBl. I und dem erstmaligen Anwendungszeitpunkt vorgesehen. Sollte das BMF von seiner Ermächtigung keinen Gebrauch machen, sollen die gesetzlichen Regelungen über eine Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen spätestens nach Ablauf von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres des Inkrafttretens der Neuregelung anzuwenden sein.
2 Begriff der innerstaatlichen Steuergestaltung
§ 138l Absatz 1 AO-E bestimmt, dass innerstaatliche Steuergestaltungen, die in § 138l Abs. 2 AO-E definiert werden, dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) mitzuteilen sind. Der zur Mitteilung verpflichtete Personenkreis und die für das Mitteilungsverfahren geltenden Bestimmungen, insbesondere die bei der Mitteilung zu beachtende Form und Frist ergeben sich aus den §§ 138m und 138n AO-E.
2.1 Definition einer mitteilungspflichtigen innerstaatlichen Steuergestaltung
§ 138l Absatz 2 Satz 1 AO-E definiert die mitteilungspflichtige innerstaatliche Steuergestaltung. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen orientieren sich dabei soweit möglich an den Merkmalen der grenzüberschreitenden Steuergestaltung nach § 138d Abs. 2 Satz 1 AO. Eine innerstaatliche Steuergestaltung im Sinne des § 138l Abs. 2 Satz 1 AO-E ist danach jede Gestaltung, die die in den § 138l Abs. 2 Nr. 1 bis 4 AO-E genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt.
Bei einer Steuergestaltung im Sinne des § 138l AO handelt es sich um einen bewussten, das reale und/oder rechtliche Geschehen mit steuerlicher Bedeutung verändernden Schaffensprozess, bei dem durch den Nutzer oder für den Nutzer der Steuergestaltung eine bestimmte Struktur, ein bestimmter Prozess oder eine bestimmte Situation bewusst und aktiv herbeigeführt oder verändert wird (z. B. durch Transaktionen, Handlungen, Vereinbarungen). Diese Struktur, dieser Prozess oder diese Situation bekommt dadurch eine steuerrechtliche Bedeutung, die ansonsten nicht eintreten würde.
Eine Steuergestaltung liegt dagegen nicht vor, wenn ein Steuerpflichtiger lediglich den Ablauf einer gesetzlichen Frist oder eines gesetzlichen Zeitraums abwartet, nach welchem er eine Transaktion steuerfrei oder nicht steuerbar realisieren kann. Unerheblich ist, ob die Gestaltung modellhaft angelegt ist.
Nach § 138l Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO-E darf die Gestaltung keine grenzüberschreitende Steuergestaltung im Sinne des § 138d Abs. 2 i. V. m. § 138e AO sein. Die innerstaatliche Steuergestaltung muss zudem eine der in § 138l Abs. 2 Nr. 2 AO-E abschließend aufgezählten Steuern zum Gegenstand haben. In Betracht kommen daher nur solche Steuergestaltungen, die sich auf Steuern vom Einkommen oder Vermögen, die Gewerbesteuer, die Erbschaft- oder Schenkungsteuer oder die Grunderwerbsteuer auswirken sollen. Außerdem muss nach Nr. 3 mindestens ein Kennzeichen im Sinne des § 138l Absatz 3 AO-E vorliegen.
Nach § 138l Abs. 2 Nr. 4 AO-E muss ferner aus Sicht eines verständigen, unvoreingenommenen Dritten der zu erwartende Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile der innerstaatlichen Steuergestaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils sein. Bei der Steuergestaltung muss demnach die günstige Auswirkung des steuerlichen Vorteils im Vordergrund stehen.
§ 138l Abs. 2 Satz 2 AO-E stellt klar, dass eine innerstaatliche Steuergestaltung auch dann vorliegt, wenn sie aus einer Reihe von Gestaltungen besteht. Ferner wird bestimmt, dass der Mitteilungspflichtige in diesem Fall sämtliche ihm bekannte Informationen zur Steuerge...