Leitsatz
1. Art. 52 EGV (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) i.V.m. Art. 58 EGV (jetzt Art. 48 EG) steht der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, nach der bei der Festsetzung der nationalen Besteuerungsgrundlage die Berücksichtigung eines Währungsverlusts eines in diesem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmens aus der Rückführung des Dotationskapitals, das es seiner in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte gewährt hatte, ausgeschlossen ist.
2. Art. 52 EGV (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) i.V.m. Art. 58 EGV (jetzt Art. 48 EG) steht auch einer Regelung entgegen, nach der ein Währungsverlust als Betriebsausgabe eines in einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmens nur in dem Umfang abgezogen werden darf, in dem seine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte keine steuerfreien Gewinne erzielt hat.
Normenkette
Art. 52, Art. 58 EGV, Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 11 DBA-Italien 1925, § 2a Abs. 3 EStG 1990
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland, begründete 1974 in Italien eine Betriebsstätte. Das Ergebnis der Betriebsstätte wurde nach italienischem Recht durch eine Handels- und Steuerbilanz in italienischer Währung sowie -- für das deutsche Stammhaus -- in einer gesonderten deutschen Handels- und Steuerbilanz ermittelt.
Die Betriebsstätte wurde von der Klägerin mit Dotationskapital versehen, das in der gesonderten deutschen Handels- und Steuerbilanz mit den historischen DM-Kursen zum Zeitpunkt der jeweiligen Lira-Einzahlungen angesetzt wurde. Gewinnrückführungen der Betriebsstätte wurden mit den DM/Lira-Stichtagskursen der Auszahlung von dem fortgeschriebenen Dotationskapital abgezogen.
Die in DM ermittelten Betriebsstättenverluste wurden bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte der Klägerin bis 1989 nach § 2 Abs. 1 AIG sowie 1990 und 1991 nach § 2a Abs. 3 EStG a.F. abgezogen. Aufgrund in den 80er Jahren angefallener Gewinne wurden bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogene Verluste nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG bis zur Höhe dieser Gewinne wieder hinzugerechnet. Die kumulierten Verluste der Betriebsstätte betrugen bis einschließlich 1991 rd. 358 Mio. DM. Nach Abzug zwischenzeitlicher Gewinne von rd. 221 Mio. DM verblieb danach zum 31.12.1991 ein im Inland nach § 2 AIG bzw. § 2a Abs. 3 EStG abgezogener und noch nicht wieder hinzugerechneter Verlust i.H.v. rd. 131 Mio. DM.
Zum 28.02.1992 brachte die Klägerin die Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte unter Aufdeckung der stillen Reserven in eine hundertprozentige Tochtergesellschaft ein und veräußerte die durch die Einbringung erhaltenen Anteile noch am selben Tag an eine konzernfremde italienische AG.
Die Betriebsstätte wurde mit ihrer Einbringung in die Tochtergesellschaft zum 28.02.1992 eingestellt. Der aus dem Anteilsverkauf an die AG erzielte Lira-Betrag wurde -- neben einem darin enthaltenen Gewinnanteil -- 1992 als Rückzahlung des Dotationskapitals an das Stammhaus überwiesen. Die Umrechnung des zurückgezahlten Dotationskapitals ergab zum Stichtagskurs (1 000 IL = 1,3372 DM) einen DM-Betrag von rd. 112 Mio. DM. Aus der Gegenüberstellung dieses Betrags mit den historischen Anschaffungskosten des zurückgezahlten Dotationskapitals ergab sich für die Klägerin ein Währungsverlust i.H.v. rd. 122 Mio. DM:
Das FA erkannte diesen Währungsverlust nicht an.
Das FG Hamburg hatte die Sache im Rahmen des anhängigen Klageverfahrens dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (EFG 2007, 43).
Entscheidung
Erwartungsgemäß hat der EuGH den Steuerabzug der Währungsverluste in Deutschland als Ansässigkeitsstaat eingefordert. Andernfalls könnten die Verluste aus der Rückführung des Dotationskapitals weder in dem einen noch in dem anderen Mitgliedstaat abgezogen werden. Das aber sei nicht zu rechtfertigen.
Hinweis
Ein weiterer "Meilenstein" auf dem Weg zu einem ertragsteuerlichen Gemeinschaftsrecht:
1. Der BFH vertritt (nach wie vor) in jahrzehntelanger Rechtsprechung die sog. Symmetriethese, wonach Auslandsverluste ebenso wie Auslandsgewinne steuerbefreit sind, wenn abkommensrechtlich die Freistellungsmethode vereinbart wurde. Das betrifft namentlich die Verluste aus Auslandsbetriebsstätten inländischer Gewerbetreibender. Näheres ergibt sich dazu z.B. aus dem EuGH-Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 28.06.2006, I R 84/04, BFH-PR 2006, 508.
2. Gewährt der Gewerbetreibende seiner Auslandsbetriebsstätte sog. Dotationskapital und wird dieses Kapital in dem Quellenstaat in der dort geltenden Fremdwährung ausgewiesen, dann kann es infolge der Währungs(dis)paritäten zu Fremdwährungsverlusten kommen, dann nämlich, wenn die Betriebsstätte aufgegeben und das Dotationskapital mit entsprechenden Kursverlusten ins Inland zurücktransferiert wird (und im Inland wieder in der "Heimatwährung" ausgewiesen werden muss).
Der BFH steht dazu gleichermaßen seit jeher auf dem Standpunkt, dass solche Währungsverluste funktional zu der Auslandsbetriebsstätte "gehören", weil sie durch diese Betriebsstätte veranlasst worde...