Keine weiteren Verkäufe: Außerdem führte das FA in der Entscheidung über den Einspruch der A-GmbH an, es habe mit Ausnahme eines Verkaufs keine weiteren Verkäufe gegeben. Auch diese Feststellung wirkt nicht überzeugend.

Absicht ist entscheidend: Zunächst einmal kommt es für den Vorsteuerabzug nicht darauf an, dass Verkäufe stattfinden, sondern darauf, dass die Absicht gegeben ist, Verkäufe zu tätigen.[9] Diese Absicht stellte das FG im Verfahren fest (s. oben II.).[10]

Weitere Verkäufe: Außerdem hat die A-GmbH von den zwei Autos, die sie im Jahr 2015 erworben hatte, nicht nur das eine, nämlich Kfz 3, bereits im Jahr 2016 wieder veräußert. Es lag vielmehr auch für das andere Fahrzeug (Kfz 2) in 2021 ein Angebot von einem Kaufinteressenten vor (was das FA in 2018 natürlich noch nicht wissen konnte). Es kam aber wegen der vorliegenden anhängigen Verfahren, in denen die mehrwertsteuerliche Situation streitig war, nicht zum Vertragsschluss.[11] Das kann man dem Steuerpflichtigen aber nicht zu seinem Nachteil entgegenhalten: Er hat keine weiteren Verkäufe getätigt, daher das Verfahren. Wegen des Verfahrens kann er aber keine weiteren Verkäufe tätigen ...

Im Übrigen wurden auch die Kfz 4 und 5 verkauft (s. unten IV.2.).

Zeitspanne: Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass "erst" im Jahr 2021, also nach 6 Jahren, mit einem Kaufinteressenten verhandelt wurde.[12] So ist es beim Handel mit hochpreisigen Autos durchaus nicht immer sinnvoll, sie unmittelbar wieder zu verkaufen – es sei denn, der Verkauf muss aus anderen Gründen (z.B. Liquiditätsbeschaffung) erfolgen. Häufig steigern die Fahrzeuge ihren Wert nämlich gerade über einen längeren Zeitraum.[13]

Charakteristikum bestimmter Branchen: Das ist im Übrigen keine Besonderheit des Kfz-Handels, sondern trifft für diverse Branchen zu, insbesondere dann, wenn das Affektionsinteresse wesentlicher Bestandteil der Preisfindung ist (Antiquitäten, Kunst, Briefmarken etc.). Wer sich mit aktuellen Marktentwicklungen befasst, wird feststellen, dass ähnliche Mechanismen aber z.B. auch bei Waren greifen, die traditionell weniger den "Luxusgütern" zugerechnet werden, wie z.B. Sneakers. Diese – selbstverständlich geht es um besondere, limitierte Auflagen – werden für Preise verkauft, die in Spitzenfällen mehrere hunderttausend Euro betragen können (vorausgesetzt sie sind – ähnlich wie die Autos im vorliegenden Fall – neu, originalverpackt und ungetragen[14]). Gleiches, d.h. das Abwarten des richtigen Zeitpunkts, kann aber auch gelten für teure Uhren, Aktien, Kryptowährungen etc.[15]

[9] Der EuGH sagt sogar, dass schon die Investitionsausgaben, die für die Zwecke eines Unternehmens getätigt werden, als wirtschaftliche Tätigkeiten angesehen werden können. Daran ändert sich auch nichts, wenn die ursprünglich beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit nicht durchgeführt werde. Vgl. EuGH v. 14.2.1985 – 268/83 – Rompelman, UR 1985, 199 Rz. 22; EuGH v. 29.2.1996 – C-110/94 – INZO, UR 1996, 116 Rz. 17.
[10] Hierfür berücksichtigte das FG – m.E. richtigerweise –, dass neben der A-GmbH auch B bzw. die A-KG weitere Fahrzeuge erworben und wieder veräußert hatten; vgl. FG Baden-Württemberg v. 27.7.2021 – 1 K 1268/18, juris Rz. 26, und FG Baden-Württemberg v. 27.7.2021 – 1 K 1269/18, juris Rz. 28.
[12] Das kam aber offenbar dem BFH komisch vor; vgl. BFH v. 8.9.2022 – V R 26/21, juris Rz. 19, und BFH v. 8.9.2022 – V R 27/21, juris Rz. 19 (s. unten V.6.b. und c.).
[13] Im Jahr 2022 wurde z.B. ein Mercedes-Benz 300SLR Uhlenhaut Coupé von 1955 für ca. EUR 135 Mio. veräußert. Quelle: https://www.mercedes-benz.com/de/nachhaltigkeit/verantwortung/coupe-300-slr/. Bei einem Verkauf etwa 60 Jahre früher wäre vermutlich weniger erlöst worden.
[14] Das ist durchaus nachvollziehbar.
[15] S. auch Ulbrich, UR 2023, 238 (241).

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