Fragestellung: Der EuGH hatte im Jahr 2013 darüber zu befinden, ob ein Gerichtsvollzieher (GV), Hr. Kostov, der wegen dieser Tätigkeit nach nationalem Recht "zur Mehrwertsteuer angemeldet ist", auch mit einzelnen, nicht zur Tätigkeit als GV gehörenden Leistungen als Steuerpflichtiger anzusehen ist. Es ging darum, dass Herr Kostov für einen Auftraggeber drei Grundstücke ersteigern sollte. Er war der Ansicht, dass die Teilnahme an der Versteigerung nichts mit seiner unternehmerischen Tätigkeit als GV zu tun habe, und für sich gesehen nicht als unternehmerisch anzusehen sei, weil es sich lediglich um Einzeltätigkeiten ohne Fortführungsabsicht gehandelt habe.[53]

Antwort des EuGH: Der Gerichtshof befand, dass ein Steuerpflichtiger (also Unternehmer) i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL (d.h. jemand, der z.B. aufgrund seiner Tätigkeit als selbständiger Gerichtsvollzieher mehrwertsteuerpflichtig ist), "für jede weitere, gelegentlich ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit als ‚Steuerpflichtiger‘ anzusehen ist, sofern diese Tätigkeit eine Tätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellt."[54]

Voraussetzungen "Steuerpflichtiger" ≠ Voraussetzungen "wirtschaftliche Tätigkeit": Der EuGH unterscheidet also zwischen dem Begriff des Steuerpflichtigen i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL und dem Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL. Ist eine Person bereits aufgrund einer oder mehrerer Tätigkeiten Steuerpflichtiger, müssen die "Zusatztätigkeiten" (wie das Ersteigern im vorgelegten Fall) nicht noch einmal die Bedingungen erfüllen, die eine Person zum Steuerpflichtigen i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL machen, sondern (lediglich) die Bedingungen einer wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL, um als "im Rahmen des Unternehmens" ausgeführt angesehen zu werden. Letztere stellen gegenüber ersteren ein "minus" dar. Das sieht auch der BFH so.[55] Wären die Voraussetzungen identisch, wäre die Unterscheidung sinnlos.[56]

[53] EuGH v. 13.6.2013 – C-62/12 – Kostov, UR 2013, 626.
[54] EuGH v. 13.6.2013 – C-62/12 – Kostov, UR 2013, 626 Rz. 31.
[55] BFH v. 20.9.1990 – V R 92/85, juris Rz. 22.
[56] Vgl. auch Heber in Wäger, 2. Aufl., § 2 UStG Rz. 54.

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