Das Finanzamt erkannte den vorgenannten Vorsteuerabzug des B und der A-GmbH nicht an. Es führte in den Einspruchsentscheidungen im Jahr 2018 an, der Erwerb der Fahrzeuge habe nicht im Rahmen einer nachhaltigen unternehmerischen Tätigkeit stattgefunden.
1. Kein "Geschäftslokal"
Kein Ort für Ausstellung und Bewerbung: Es fehle an einem der Verkaufsförderung dienenden Geschäftslokal, in dem die Fahrzeuge wie bei einem Kfz-Händler üblich ausgestellt und beworben würden.
Old-fashioned: Das dürfte wohl in Zeiten von Internet, Online-Handel, Plattformwirtschaft und Homeoffice ein etwas antiquiertes Argument sein (wohl auch schon im Jahr 2015). Das FG Köln jedenfalls hatte (zur Rechnungsanschrift eines Kfz-Händlers) bereits in einem Urteil vom 28.4.2015 unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität erheblich praxistauglichere Feststellungen getätigt, indem es in Anbetracht der technischen Fortentwicklung und der Änderung von Geschäftsgebaren das Erfordernis einer Anschrift, an der geschäftliche Aktivitäten stattfinden, für überholt hielt.
Geschäftslokal: Wie soll auch ein "übliches" Geschäftslokal aussehen? Muss dort Platz sein für ein Auto oder zwei Autos? Oder mindestens 10 Autos? Oder können die Autos auch an verschiedenen Orten stehen? Muss ein Geschäftslokal für einen Kfz-Handel auch Platz für einen Schreibtisch und Akten vorsehen? Selbst dann, wenn die Buchhaltung elektronisch per Laptop abgewickelt wird und die Unterlagen in der "Cloud" gespeichert werden?
Werbung: Und warum sollte ein Händler, der sein Geschäftslokal in Mechernich in der Eifel betreibt, dort für die zu verkaufenden Autos Werbung betreiben? Das dürfte wohl nur wenig Außenwirkung entfalten. Da gibt es im Zeitalter des Dialogmarketings und des weltweiten Internet wohl sinnvollere Alternativen.
Kein zwingendes Kriterium: Der BFH hatte übrigens schon vor langer Zeit festgestellt, das Fehlen von Geschäftsräumen schließe die Unternehmereigenschaft nicht zwangsläufig aus.
2. Nur ein Verkauf
Keine weiteren Verkäufe: Außerdem führte das FA in der Entscheidung über den Einspruch der A-GmbH an, es habe mit Ausnahme eines Verkaufs keine weiteren Verkäufe gegeben. Auch diese Feststellung wirkt nicht überzeugend.
Absicht ist entscheidend: Zunächst einmal kommt es für den Vorsteuerabzug nicht darauf an, dass Verkäufe stattfinden, sondern darauf, dass die Absicht gegeben ist, Verkäufe zu tätigen. Diese Absicht stellte das FG im Verfahren fest (s. oben II.).
Weitere Verkäufe: Außerdem hat die A-GmbH von den zwei Autos, die sie im Jahr 2015 erworben hatte, nicht nur das eine, nämlich Kfz 3, bereits im Jahr 2016 wieder veräußert. Es lag vielmehr auch für das andere Fahrzeug (Kfz 2) in 2021 ein Angebot von einem Kaufinteressenten vor (was das FA in 2018 natürlich noch nicht wissen konnte). Es kam aber wegen der vorliegenden anhängigen Verfahren, in denen die mehrwertsteuerliche Situation streitig war, nicht zum Vertragsschluss. Das kann man dem Steuerpflichtigen aber nicht zu seinem Nachteil entgegenhalten: Er hat keine weiteren Verkäufe getätigt, daher das Verfahren. Wegen des Verfahrens kann er aber keine weiteren Verkäufe tätigen ...
Im Übrigen wurden auch die Kfz 4 und 5 verkauft (s. unten IV.2.).
Zeitspanne: Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass "erst" im Jahr 2021, also nach 6 Jahren, mit einem Kaufinteressenten verhandelt wurde. So ist es beim Handel mit hochpreisigen Autos durchaus nicht immer sinnvoll, sie unmittelbar wieder zu verkaufen – es sei denn, der Verkauf muss aus anderen Gründen (z.B. Liquiditätsbeschaffung) erfolgen. Häufig steigern die Fahrzeuge ihren Wert nämlich gerade über einen längeren Zeitraum.
Charakteristikum bestimmter Branchen: Das ist im Übrigen keine Besonderheit des Kfz-Handels, sondern trifft für diverse Branchen zu, insbesondere dann, wenn das Affektionsinteresse wesentlicher Bestandteil der Preisfindung ist (Antiquitäten, Kunst, Briefmarken etc.). Wer sich mit aktuellen Marktentwicklungen befasst, wird feststellen, dass ähnliche Mechanismen aber z.B. auch bei Waren greifen, die traditionell weniger den "Luxusgütern" zugerechnet werden, wie z.B. Sneakers. Diese – selbstverständlich geht es um besondere, limitierte Auflagen – werden für Preise verkauft, die in Spitzenfällen mehrere hunderttausend Euro betragen können (vorausgesetzt sie sind – ähnlich wie die Autos im vorliegenden Fall – neu, originalverpackt und ungetragen). Gleiches, d.h. das Abwarten des richtigen Zeitpunkts, kann aber auch gelten für teure Uhren, Aktien, Kryptowährungen etc.