Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 4
Ein von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfasstes Verpflichtungsgeschäft liegt vor, wenn ein schuldrechtlicher Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an einem Grundstück begründet wird. Ein bei Abschluss des tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäfts als Vertreter gem. § 164 Abs. 1 BGB für den Vertretenen Auftretender begründet für den Vertretenen die Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der als Vertreter Aufgetretene später die Rechte und Pflichten aus dem Grundstückskaufvertrag übernimmt, etwa wegen des Überschreitens seiner Befugnisse im Innenverhältnis oder in Erfüllung einer möglicherweise bestehenden Schadensersatzpflicht (vgl. BFH v. 13.5.1992, II B 118/91, HFR 1993, 326). Wendet der Käufer ein, er habe bei Abschluss des Vertrags als Vertreter gehandelt mit der Folge, dass er keinen Anspruch erworben habe, kann er dennoch selbst die Grunderwerbsteuer schulden. Tritt der Käufer gegenüber dem bisherigen Grundstückseigentümer im eigenen Namen auf und gibt er nicht zu erkennen, dass er für einen bestimmten Dritten handelt, werden gem. § 164 Abs. 2 BGB die vertraglich vereinbarten Rechte und Pflichten nicht in der Person des Dritten, sondern in der Person des Käufers begründet. Auf den durch diesen Rechtsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entstandenen Grunderwerbsteueranspruch ist es auch ohne Einfluss, in welcher Weise der Käufer nach Vertragsabschluss mit seiner durch den Vertrag erlangten Rechtsposition verfährt, insbesondere, ob er seinen Übereignungsanspruch an seinen Auftraggeber abtritt (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG). Eine Rückgängigmachung des Kaufvertrags, die gem. § 16 GrEStG zur Nichterhebung der Grunderwerbsteuer führen kann, muss in der notariellen Verhandlung zwischen dem Käufer und dem Dritten erkennbar werden.
Kaufverträge über unbebaute oder bebaute Grundstücke müssen, um wirksam zu sein, notariell beurkundet werden (§ 311 b Abs. 1 S. 1 BGB). Die notarielle Beurkundung ist in § 128 BGB geregelt. Die notarielle Beurkundung eines Rechtsgeschäfts dient dem Schutz vor Übereilung und gewährleistet, dass die Vertragsparteien rechtlich beraten und über die Folgen ihres Handelns belehrt werden. Außerdem kommt der notariellen Beurkundung eine besondere Beweiskraft zu, als öffentliche Urkunde wird der volle Beweis des beurkundeten Vorgangs begründet (§ 415 Abs. 1 ZPO).
Wird gegen eine gesetzlich vorgeschriebene Form verstoßen, ist das entsprechende Rechtsgeschäft gem. § 125 S. 1 BGB nichtig, es sei denn, dass das Gesetz ausdrücklich etwas anderes bestimmt und der Verstoß durch die Vornahme einer weiteren Handlung geheilt werden kann. Dementsprechend sieht § 311 b Abs. 1 S. 2 BGB vor, dass ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag seinem ganzen Inhalt nach gültig wird, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen. Einigen sich daher Käufer und Verkäufer eines Grundstücks (Auflassung, § 925 BGB) über den Eigentumswechsel und wird der neue Eigentümer in das Grundbuch eingetragen, ist der Mangel des nicht notariell beurkundeten Kaufvertrags über das Grundstück geheilt. Dasselbe gilt für einen Kaufvertrag über eine – ggf. noch zu erstellende – Eigentumswohnung (vgl. § 4 Abs. 3 WEG). Allerdings muss in diesen Fällen auch die Auflassung vor einem Notar erklärt werden.
Nach BFH v. 23.11.2011, II R 64/09, BFH/NV 2012, 292, unterliegt die Übertragung eines Anteils an einer Grundstücks-GbR, der mit einer besonderen Berechtigung an einer der Gesellschaft gehörenden Wohnungseinheit verbunden sein soll, jedenfalls dann nicht der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i. V. m. § 42 AO, wenn die auf Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einer bestimmten Wohnungseinheit gerichteten Vereinbarungen mangels notarieller Beurkundung nichtig sind. Im Urteilsfall sind weder der Gesellschaftsvertrag der grundstückshaltenden GbR noch die Vereinbarungen über die Beitritte (Anteilsübernahmen) der Gesellschafter und die Sondernutzungsvereinbarung notariell beurkundet worden, sodass diese Vereinbarungen nach § 125 BGB insgesamt nichtig waren und der Anteilserwerb deswegen nicht grunderwerbsteuerbar sein konnte. Die Beurkundungspflicht erstreckt sich in derartigen Fällen auf die gesamte Beitrittsvereinbarung (vgl. BGH v. 10.4.1978, II ZR 61/77, NJW 1978, 2505). Die zivilrechtliche Nichtigkeitsfolge tritt auch ein, wenn die Vertragsparteien den Vertrag als gültig behandelt wissen wollen. Grunderwerbsteuerrechtlich kann ein solcher unwirksamer Vertrag nicht die vom Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG geforderte Verpflichtung zur Übereignung begründen. Zur Anwendung des § 41 Abs. 1 AO in derartigen Fällen siehe Rz. 8.
Rz. 5-7
einstweilen frei
Rz. 8
Gem. § 41 Abs. 1 AO ist die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts für die Besteuerung unerheblich, sobald und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Ein nach § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB der Beurkundung bed...