Rz. 93o

Nach Rechtsauffassung der Finanzverwaltung ist eine Verwirklichung des Ergänzungstatbestandes des § 1 Abs. 3a GrEStG nicht ausgeschlossen, wenn zuvor bereits der Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht worden war. Diese Rechtsauffassung wird in der Literatur teilweise heftig kritisiert (vgl. z. B. Liekenbrock/Joisten, in Ubg 2013, 743ff.). In derartigen Fällen ist allerdings die Anrechnungsregelung des § 1 Abs. 6 GrEStG zu beachten, die sich auch auf § 1 Abs. 3a GrEStG erstreckt. Der Gesetzgeber hat mit Art. 26 Nr. 1 Buchst. b AmtshilfeRLUmsG die Neuregelung des § 1 Abs. 3a GrEStG in den Tatbestand des § 1 Abs. 6 S. 1 GrEStG mit einbezogen. Danach wird, wenn einem steuerbaren Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG ein anderer grunderwerbsteuerbarer Rechtsvorgang i. S. v. § 1 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 GrEStG vorausgegangen ist, die Steuer gem. § 1 Abs. 6 S. 2 GrEStG nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für den nachfolgenden Rechtsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist. Die gleiche Rechtsfolge tritt ein, wenn ein steuerbarer Rechtsvorgang i. S. d. § 1 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 GrEStG einem steuerbaren Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG nachfolgt. Die Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG setzt allerdings auch hier sowohl eine Grundstücks- als auch eine Erwerberidentität voraus (vgl. Tz. 6 der gleich lautenden Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 3a GrEStG v. 9.10.2013, BStBl I 2013, 1364 sowie Rz. 97 und Rz. 98).

 
Praxis-Beispiel

Die A-AG ist zu 85 % an der C-GmbH beteiligt. Die restlichen 15 % der Anteile an der C-GmbH hält die B-AG. Die C-GmbH ist zu 96 % an der grundbesitzenden E-GmbH beteiligt, die restlichen 4 % der Anteile an der E-GmbH hält die D-GmbH.

Im Jahr 2011 erwirbt die A-AG von der B-AG 10 % der Anteile an der C-GmbH und stockt dadurch ihre Beteiligung an der C-GmbH auf 95 % auf. Im Dezember 2013 überträgt die B-AG nochmals vier Fünftel der ihr verbliebenen Anteile an der C-GmbH auf die A-AG, die dadurch 99 % der Anteile an der C-GmbH hält. Der Grundbesitz der E-GmbH hat sich im Zeitraum von 2011 bis Dezember 2013 nicht verändert.

Mit der Anteilsübertragung von der B-AG auf die A-AG im Jahr 2011 ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht. Durch die Übertragung werden erstmals mittelbar mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden E-GmbH in der Hand der A-AG vereinigt.

Durch die weitere Übertragung der Anteile der C-GmbH in Höhe von 4 % im Dezember 2013 wird die bereits bestehende mittelbare Vereinigung der Anteile der grundbesitzenden E-GmbH in der Hand der A-AG lediglich verstärkt. Dadurch wird der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht nochmals verwirklicht. Durch den Rechtsvorgang der Anteilsübertragung kommt es jedoch erstmalig zu einer wirtschaftlichen Vereinigung der Anteile der E-GmbH in der Hand der A-AG. Denn die A-AG ist nunmehr über die C-GmbH mittelbar zu 95,04 % wirtschaftlich an der grundbesitzenden E-GmbH beteiligt. Damit ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG erfüllt.

Da die A-AG Erwerberin sowohl bei der vorangegangenen Tatbestandverwirklichung des § 1 Abs. 3 GrEStG als auch bei der nachfolgenden Tatbestandverwirklichung des § 1 Abs. 3a GrEStG und zudem auch die Grundstücksidentität gewahrt ist, kommt die Anrechnungsregelung des § 1 Abs. 6 GrEStG zur Anwendung.

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