Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 48
Änderungen der eigentumsmäßigen Zuordnung von Grundstücken im Umlegungsverfahren (vgl. dazu Ländererlass v. 18.2.2020, BStBl. I 2020, 282) nach dem Baugesetzbuch – BauGB – (früher Bundesbaugesetz – BBauG) unterliegen grundsätzlich der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG, da ein Rechtsträgerwechsel erfolgt, dem kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und für den es keiner Auflassung bedarf. Mit dem Inkrafttreten des Umlegungsplans durch Bekanntmachung der Umlegungsstelle (§ 71 Abs. 1 BauGB) wird der bisherige Rechtszustand durch den im Umlegungsplan vorgesehenen neuen Rechtszustand ersetzt (§ 72 Abs. 1 S. 1 BauGB), Eigentumsänderungen an Grundstücken treten unmittelbar kraft Gesetzes ein.
Nach dem das Umlegungsverfahren beherrschenden sog. Surrogationsprinzip (§ 63 Abs. 1 BauGB) geht das Eigentum an dem eingeworfenen Grundstück nicht unter, sondern setzt sich an dem zugeteilten Grundstück fort: Die neue im Umlegungsplan zugewiesene reale Grundstücksfläche tritt als Surrogat an die Stelle des alten realen Grundstücks mit der Folge, dass an ihr grundsätzlich dieselben Rechtsverhältnisse bestehen, die an dem Einwurfsgrundstück bestanden haben. Gleichwohl ist grunderwerbsteuerlich von einem Rechtsträgerwechsel auszugehen, da sich das inhaltlich unveränderte und weiterhin derselben Person zustehende Eigentum auf einen anderen abgegrenzten Teil der Erdoberfläche bezieht, der nunmehr einer anderen Person als zuvor eigentumsmäßig zugeordnet wird.
Ist hingegen das Zuteilungsgrundstück mit dem Einbringungsgrundstück identisch, d. h. flächen- und deckungsgleich, liegt grunderwerbsteuerlich kein Rechtsträgerwechsel vor, der Vorgang ist nicht grunderwerbsteuerbar (vgl. BFH v. 29.10.1997, II R 36/95, BStBl II 1998, 27).
Rz. 48a
Von dem Grundsatz des § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG, wonach der Übergang des Eigentums an einem Grundstück der Grunderwerbsteuer unterliegt, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und auch eine Auflassung nicht zum Eigentumsübergang erforderlich ist, macht S. 2 Buchst. b eine Ausnahme für den Fall des Übergangs des Eigentums im förmlichen (gesetzlichen) Umlegungsverfahren, wenn der neue Eigentümer in diesem Verfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter ist. Voraussetzung für die Ausnahme von der Steuerbarkeit ist also der Übergang des Eigentums außerhalb des Grundbuchs im förmlichen Umlegungsverfahren nach §§ 45ff. BauGB und damit entweder durch Inkrafttreten des Umlegungsplans nach §§ 71, 72 BauGB oder aufgrund einer Vorausregelung nach § 76 BauGB. Darüber hinaus muss der neue Eigentümer Beteiligter eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks sein. Diese Voraussetzung ist auch bei Einbringung von Grundflächen der Ordnungsnummern 1 (öffentliche Grundstücke) durch eine Gemeinde erfüllt. Die Abfindungsregelungen des § 55 Abs. 3 BauGB und das Fehlen von Anteilen an der Verteilungsmasse stehen dem nicht entgegen. Der BFH hat mit Urteil v. 28.7.1999, II R 25/98 (BStBl II 2000, 206) entgegen seiner früheren Rechtsprechung, der sich die Verwaltung angeschlossen hatte (vgl. BFH v. 1.8.1990, II R 6/88, BStBl II 1990, 1034; einheitlicher Ländererlass v. 15.12.1993, UVR 1993, 95), entschieden, dass alle in einem förmlichen Umlegungsverfahren nach dem BauGB durch Ausspruch einer Behörde erfolgenden Eigentumsänderungen an Grundstücken von der Grunderwerbsteuer befreit sind, wenn der neue Eigentümer in diesem Verfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter ist. Der Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 Buchst. b GrEStG wurde dadurch erheblich erweitert. Er erstreckt sich damit auch auf Grundstückszuteilungen, für die der neue Eigentümer eine Geldleistung zu erbringen hat, da er keinen oder keinen wertgleichen Grundstücksverlust im Umlegungsgebiet erlitten hat (Mehrzuteilungen). Die Finanzverwaltung ist dieser Rechtsprechung gefolgt, da weder der Wortlaut noch der Zweck der Befreiungsvorschrift eine Reduzierung des Anwendungsbereichs bis zur Höhe des jeweiligen Sollanspruchs rechtfertigen (vgl. z. B. FinMin Baden-Württemberg v. 15.3.2000, DStR 2000, 595). Eine Begrenzung der Befreiung auf den sog. Spitzenausgleich (§ 59 Abs. 2 S. 3 BauGB) ist damit nicht mehr zulässig. Die Anwendung der Rechtsprechung des BFH wirft jedoch die Frage auf, ob es der Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift tatsächlich rechtfertigt, diese auch auf erst während des laufenden Umlegungsverfahrens eintretende Änderungen des Sollanspruchs und den einzelnen Umlegungsbeteiligten wunschgemäß zugestandene Mehrzuteilungen ohne Einschränkung anzuwenden, da dies zu einem nicht gebotenen Übermaß an Begünstigung führt.
Allerdings gibt die o. a. Rechtsprechung des BFH nach der hier vertretenen Auffassung keine Handhabe dafür, jede Mehrzuteilung ohne Rücksicht auf ihr Zustandekommen als steuerbefreit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 Buchst. b GrES...