Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
2.8.1 Ausgangslage
Rz. 78a
Die Grunderwerbsteuer knüpft an den Rechtsträgerwechsel bezogen auf ein Grundstück an. Maßgebend für die Frage, ob ein Rechtsträgerwechsel stattfindet, ist grundsätzlich das Zivilrecht. Ungeachtet dessen, wie man die zivilrechtliche Vorfrage beantwortet, ob Personengesellschaften und hier vor allem die BGB-Gesellschaft i. S. d. §§ 705ff. BGB als selbstständige Rechtsträger fungieren können, gelten Personengesellschaften bei der Grunderwerbsteuer als selbstständige Rechtsträger. Zum Anteilserwerb durch Briefkastengesellschaften siehe BFH v. 8.1.2019, II B 62/18, ZfIR 2019, 211.
Dies ergibt sich in der Gesamtsystematik vor allem aus den §§ 5 und 6 GrEStG.
Diese Normen wären entbehrlich, würde man die Personengesellschaften grunderwerbsteuerlich nicht als selbstständige Rechtsträger qualifizieren. Kapitalgesellschaften können außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht als transparent angesehen werden (FG Düsseldorf v. 8.5.2019, 7 K 2629/18 GE, Rn. 14).
Neue Gesellschafter i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG können mithin natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften sein; "neu" bedeutet, das Mitglied erwirbt zivilrechtlich erstmals ein Mitgliedschaftsrecht an einer bestehenden grundbesitzenden Personengesellschaft oder stockt innerhalb von 5 Jahren nach dem erstmaligen Erwerb des Mitgliedschaftsrechts seine Beteiligung durch den Erwerb weiterer Anteile am Gesellschaftsvermögen auf; die zeitraumbezogene Betrachtung kann bei "neuem Gesellschafter" vorliegen, wenn sich der Gesellschafterbestand als solcher zivilrechtlich nicht ändert. Nach Ablauf von 5 Jahren wird der Gesellschafter zum Altgesellschafter (BFH v. 17.05.2017, II R 35/15, BFH/NV 2017, 1270). Diese Frist wurde mit Wirkung zum 1.7.2021 auf 10 Jahre verlängert. Zur Änderung des mittelbaren Gesellschafterbestandes: FG München v. 23.6.2021, 4 K 1105/18, Revision: II R 16/22.
2.8.2 Das Zusammenwirken mit den Begünstigungsvorschriften (§§ 5 und 6 GrEStG)
Rz. 79
§ 5 Abs. 2 GrEStG bestimmt, dass beim Eigentümer eines Grundstücks insoweit keine Grunderwerbsteuer erhoben wird, als er an einer Personengesellschaft beteiligt ist, in die er das Grundstück eingebracht hat.
§ 6 Abs. 1 GrEStG regelt den umgekehrten Fall, wonach Grunderwerbsteuer insoweit nicht erhoben wird, als ein Grundstück von der Personengesellschaft auf die an ihr beteiligte Person übergeht.
Diese Regelungen boten in der Vergangenheit die ideale Voraussetzung dafür, Grundstücke ohne grunderwerbsteuerliche Belastung zu übertragen.
A und Ehefrau B sind hälftige Miteigentümer eines Grundstücks und bringen es in eine BGB-Gesellschaft ein, an der sie zu je 50 % beteiligt sind. Nach 6 Monaten übertragen sie ihre Beteiligung auf C und D, die nach weiteren 6 Monaten die BGB-Gesellschaft auflösen.
Dieses Beispiel zeigt die Problematik, die sich hinter den Begünstigungsregelungen der §§ 5 und 6 GrEStG verbirgt.
Zwar hat der BFH versucht, diese Gestaltungsmöglichkeiten einzuschränken, indem er bei einem vorgefassten Plan für einen Gesellschafterwechsel die Anwendung des § 5 GrEStG versagte (vgl. statt aller BFH v. 6.9.1995, BStBl II 1995, 799). Da er seine Rechtsprechung aber im Wesentlichen auf den Rechtsgedanken des § 42 AO stützte, erwies sie sich dort als wirkungslos, wo ein vorgefasster Plan nicht nachweisbar war, und damit der Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten nicht feststand. Dies war in vielen Fällen durch ein zeitliches Intervall zu bewerkstelligen. Denn wie überall, wo die Besteuerung nicht an objektiven, sondern an subjektiven Kriterien anknüpft, gibt es eine Grauzone, die auch mit noch so ausgefeilter Kasuistik nur unvollkommen in den Griff zu bekommen ist.
Außerdem konnte die Versagung der Begünstigung selbst dann verhindert werden, wenn ein Gesellschafter in der Gesellschaft verblieb und am Vermögen derselben nicht mehr beteiligt war (BFH v. 31.7.1991, BStBl II 1991, 891).
2.8.3 Die Reichweite der gesetzlichen Regelung
Rz. 80
Auf Initiative der Finanzverwaltung, die jahrelang versucht hatte, dieses Problem in den Griff zu bekommen, ist § 1 Abs. 2a GrEStG 1997 Gesetz geworden. Die Regelung wurde am 1.7.2021 verschärft, nachdem seit 2019 Einigkeit darin bestanden hatte, sog. Share Deals wirksamer zu begegnen.
Die Vorschrift gilt für alle Personengesellschaften, nicht für Kapitalgesellschaften, aber auch für ausländische Personengesellschaften. Der BFH hat indes in einem AdV-Verfahren entschieden, dass eine im Inland weder als Kapital- noch als Personengesellschaft rechtsfähige Briefkastengesellschaft nicht Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft erwerben könne (BFH v. 8.1.2019, BFH/NV 2019 293). Dessen ungeachtet sind aber die Auswirkungen auf die Praxis bedeutend größer als zunächst angenommen; vor allem die Umstrukturierung von Konzernen ist unter dem Gesichtspunkt steueroptimierter Gestaltungsformen auch in grunderwerbsteuerlicher Sicht erheblich erschwert worden. In der Literatur wird m. E. zu Recht kritisiert, dass es nicht gelungen sei, die Vorschrift auf tatsächliche Missbrauchsfälle zu beschränken; ein Vorwurf, der auch bei der Verschärfung sog. s...