Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 81
Mit der Erweiterung auf mittelbare Beteiligungen sollte ein Gleichklang mit § 1 Abs. 3 GrEStG hergestellt werden. Zwei Fragen stellen sich beim mittelbaren Gesellschafterwechsel:
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Gilt das Merkmal der Mittelbarkeit bei mehrstufigen Beteiligungen (Konzern) bis zur untersten Stufe und |
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liegt Mittelbarkeit nur vor, wenn auf jeder Ebene gesondert Anteile i. H. v. 90 % übertragen werden? |
Eine Beschränkung auf eine bestimmte Stufe innerhalb mehrstufiger Beteiligungen enthält das Gesetz nicht.
X ist an der A-GmbH zu 100 % beteiligt. Die Beteiligungskette setzt sich jeweils zu 100 % bis zur E-GmbH fort, die zu 98 % an der F-OHG beteiligt ist. Veräußert A seine Beteiligung an Y, findet ein mittelbarer Gesellschafterwechsel bei der F-OHG statt, der nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen ist.
Würde man bei der dargestellten weiten Auslegung der Mittelbarkeit, die Prüfung, ob 90 % der Anteile übergegangen sind, nicht auf jeder Beteiligungsebene gesondert vornehmen, käme es zu kuriosen Ergebnissen, wie sie in der Literatur näher beschrieben worden sind (Schmidt, M., Grunderwerbsteuer – quo vadis? DB 1999, 1872; Gottwald, a. a. O., 71). Damit gingen in vielen Fällen Mehrfachbelastungen einher, die mit dem Gesetzeszweck, die einmalige Besteuerung zu sichern, nicht vereinbar sind.
Um dies zu vermeiden, hat Tz. 4.1c des Erlasses v. 26.2.2003 (BStBl I 2003, 271) klargestellt, dass jede Beteiligungsebene gesondert zu untersuchen ist. Ist die 90-%-Grenze erreicht, ist die mittelbare Beteiligung vollumfänglich zu berücksichtigen.
Damit hat die Verwaltung im Wege einschränkender Auslegung den Bedürfnissen der Praxis Rechnung getragen und zugleich verhindert, dass die Erweiterung der gesetzlichen Regelung aus diesem Grunde einer gerichtlichen Prüfung unterzogen wird. Die Auswirkungen sollen anhand der Erlassbeispiele verdeutlicht werden.
Die Regelung in den Tz. 4.2.2 des Erlasses v. 26.2.2003 (BStBl I 2003, 271) zeigt das Zusammenspiel der weiten Auslegung der Mittelbarkeit mit dem Durchgriff auf verschiedene Stufen und die gesonderte Prüfung jeder Beteiligungsebene.
Zwar werden von dem Kommanditisten als unmittelbaren Gesellschafter der KG lediglich 75 % der Anteile auf den Dritten übertragen; die vollständige Veräußerung der Anteile an derjenigen GmbH, die an der Komplementär-GmbH zu 100 % unmittelbar und damit an der KG zu 20 % mittelbar beteiligt war, führt aber zu einer Anteilsübertragung von jetzt mehr als 90 % und damit zur Tatbestandsverwirklichung. Tz. 4.2.3 des Erlasses v. 26.2.2003 (BStBl I 2003, 271) zeigt einen weiteren Anwendungsfall mit ähnlichen Wirkungen.
Das neu in den Tatbestand eingefügte Merkmal der mittelbaren Änderung führt damit zu einer Kumulierung der Anteile.
Zwar wird in der Literatur eingewandt, an Personengesellschaften könne es gar keine mittelbare Mitgliedschaft geben (Schmidt, § 1 Abs. 2a GrEStG: Die Segnungen der wirtschaftlichen Betrachtung, DStR 1997, 1345ff.; ders., DB 2000, 1872), sodass der Gesetzeswortlaut die Erfassung mittelbarer Veränderungen nach wie vor nicht erlaube.
Dem wird man entgegenhalten müssen, dass die Regelung hier i. S. d. gesetzgeberischen Absicht ausgelegt werden kann. Denn der neue Wortlaut kann nicht anders interpretiert werden, als dass mittelbare Änderungen künftig relevant sein sollen. Die Folgen der gesonderten Prüfung jeder Beteiligungsebene verdeutlicht das Beispiel in Tz. 4.2.4 des Erlasses v. 26.2.2003 (BStBl I 2003, 271).
Obgleich rechnerisch 96 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, greift § 1 Abs. 2 a GrEStG hier nicht, weil bei der GmbH nur ein Gesellschafterwechsel zu 80 % und nicht zu 90 % stattgefunden hat.
Aktuelle Entwicklungen
Nach dem koordinierten Ländererlass der Steuerverwaltung vom 12.11.2018 (BStBl I 2018, 1314, T. 15) ist zeitpunktbezogen zu prüfen, wann der sukzessive Gesellschafterwechsel den Tatbetand auslöst.
In die seit Längerem bestehende GbR tritt Gesellschafter B in 01 ein. Erst in 02 erwirbt die GbR erstmals ein inländisches Grundstück. Ein Jahr später scheidet Altgesellschafter A aus der GbR aus und tritt seine Anteile an den neuen Gesellschafter C ab.
Obwohl innerhalb des Zehnjahreszeitraums die Gesellschafter vollständig ausgetauscht wurden, ist in 03 der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht verwirklicht. Gesellschafter B gilt trotz kurzer Mitgliedschaft als Altgesellschafter, denn er war bereits im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks an der Gesellschaft beteiligt.
§ 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG erfasst keine Änderungen der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der Altgesellschafter im Verhältnis zueinander.
Ein unmittelbar beteiligter Altgesellschafter verliert die Eigenschaft als Altgesellschafter mit Aufgabe seiner Gesellschafterstellung. Bei Neueintritt, auch innerhalb des Fünfjahreszeitraums, ist er Neugesellschafter (BFH v. 16.5.2013, II R 3/11, BStBl II 2013, 963).
Gründungsgesellschafter A tritt seine Anteile in 02 an die A-GmbH ab und scheidet als Gesellsch...