Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 14
Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden, sind Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 S. 1 AO). Jeder der Gesamtschuldner schuldet die gesamte Steuer (§ 44 Abs. 1 S. 2 AO). Das steuerliche Gesamtschuldverhältnis unterscheidet sich hierin nicht vom Gesamtschuldverhältnis des bürgerlichen Rechts (vgl. § 421 BGB).
Das Finanzamt ist zur Heranziehung eines Steuerschuldners verpflichtet. Grundsätzlich steht es dem Finanzamt hierbei jedoch frei, die Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise von einem Gesamtschuldner oder mehreren oder allen Gesamtschuldnern einzufordern. Das Finanzamt ist dabei nicht an die von den Beteiligten getroffenen zivilrechtlichen Vereinbarungen gebunden (vgl. Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. 2011, § 13 Rz. 51). Es handelt sich insoweit um eine Ermessensentscheidung (Auswahlermessen), die jedoch pflichtgemäß (§ 5 AO) auszuüben ist.
Der Steueranspruch aus einem Gesamtschuldverhältnis kann gegenüber allen Gesamtschuldnern in einem zusammengefassten Steuerbescheid (§ 155 Abs. 3 AO) geltend gemacht werden. In den Fällen, in denen jeder Gesamtschuldner die Zahlung eines Teils der Steuer übernommen hat (z. B. je 1/2), ist der Erstbescheid allen Gesamtschuldnern zu erteilen. Ansonsten ist aber auch zulässig und steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde, wenn sie sich nur an einen der Gesamtschuldner hält und ihm den Steuerbescheid bekannt gibt. Auch bei Vorliegen eines triftigen Grundes ist nur ein Schuldner in Anspruch zu nehmen. Hat sich der Erwerber eines Grundstücks im Kaufvertrag zur Übernahme der Grunderwerbsteuer bereit erklärt – was meistens der Fall ist –, wird sich das Finanzamt zunächst an diesen halten (§ 155 Abs. 4 AO). Es entspricht einer pflichtgemäßen Ermessensausübung, denjenigen der Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen, der sich im Innenverhältnis zur Übernahme der Grunderwerbsteuer verpflichtet hat (vgl. BFH v. 12.5.1976, II R 187/72, BStBl II 1976, 579, und BFH v. 26.6.1996, II R 31/93, BFH/NV 1997, 2). Hier bedarf es auch keiner näheren Begründung im Steuerbescheid (vgl. Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. 2011, § 13 Rz. 60; Pahlke, GrEStG, 5. Aufl. 2014, § 13 Rz. 36, 37). Weicht das Finanzamt hingegen von der von den Vertragsbeteiligten im Innenverhältnis getroffenen Vereinbarung ab, indem sie denjenigen in Anspruch nimmt, den die Steuer nach dem Willen der Vertragspartner gerade nicht treffen soll, so hat sie bei dieser Entscheidung ihre Ermessenserwägungen auch im Steuerbescheid zu begründen (vgl. FG Baden-Württemberg – Außensenate Stuttgart – v. 13.1.1993, EFG 1993, 541). Eine Erteilung des Bescheids an den anderen Gesamtschuldner wird vor allem notwendig sein, wenn der Steueranspruch gegenüber dem vertraglich Verpflichteten nicht durchsetzbar ist (vgl. Rz. 15). Im Einzelfall kann natürlich auch der Veräußerer derjenige sein, der sich kaufvertraglich zur Tragung der Grunderwerbsteuer verpflichtet hat.
In der Regel haben die Vertragsparteien im Kaufvertrag Regelungen darüber getroffen, wer die Grunderwerbsteuer und die sonstigen Kosten zu tragen hat. Seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes enthalten die Verträge aber oft keine Regelungen mehr darüber, welche Vertragspartei die entstehenden Kosten zu tragen hat. Auch hinsichtlich der Grunderwerbsteuer enthalten die Verträge häufig keine Abreden mehr. Haben die Beteiligten im Kaufvertrag keine Vereinbarungen darüber getroffen, wer die Grunderwerbsteuer im Innenverhältnis tragen soll, hat das Finanzamt auf die maßgebenden zivilrechtlichen Regelungen abzustellen. Nach § 448 Abs. 2 BGB n. F. (§ 449 Abs. 1 BGB a. F.) sind die Kosten für die Beurkundung des Kaufvertrags und der Auflassung, für die Eintragung ins Grundbuch und für die hierzu erforderlichen Erklärungen vom Grundstückskäufer zu tragen. Zu den zivilrechtlich vom Käufer zu tragenden Kosten gehört auch die Grunderwerbsteuer (vgl. Palandt/Putzo, Rz. 7 zu § 448 BGB). Bei dieser Rechtslage entspricht es pflichtgemäßem Ermessen, den Erwerber in Anspruch zu nehmen. Gleichwohl kann das Finanzamt aber innerhalb der Festsetzungsfrist auch noch den Veräußerer in Anspruch nehmen (vgl. OFD Niedersachsen v. 1.12.2014, S 4535-5-St 262, GrESt-Kartei ND § 13 GrEStG Karte 1).
Rz. 15
Kommt der Erwerber seiner Zahlungsverpflichtung nicht nach, kann das Finanzamt innerhalb der Festsetzungsverjährung auch den Veräußerer in Anspruch nehmen (vgl. BFH v. 21.12.1961, II 33/58 U, BStBl III 1962, 160, und BFH v. 17.5.1990, II B 8/90, BFH/NV 1991, 481). Bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung muss jeder Gesamtschuldner grundsätzlich damit rechnen, in Anspruch genommen zu werden (vgl. BFH v. 2.12.1987, II R 172/84, BFH/NV 1989, 455). Das Finanzamt übt sein pflichtgemäßes Ermessen damit aus, wenn es zunächst den Erwerber zur Grunderwerbsteuer heranzieht, falls dieser – was die Regel ist – im Kaufvertrag die Grunderwerbsteuer übernommen hat, und den Veräußerer erst dann in Anspruch nimmt, wenn die Steuer vom Erwerber nicht ...