Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 16
Aus der Anzeigepflicht von Notaren kann nicht auch auf eine spezielle Beratungspflicht in allen grunderwerbsteuerlich relevanten Fällen geschlossen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des RG und des BGH (vgl. z. B. BGH v. 5.2.1985, IX ZR 83/84 [Bremen], NJW 1985, 1225) hat der Notar bei Geschäften, die im Grundbuch eingetragene Rechte zum Gegenstand haben, sicherzustellen, dass das Rechtsgeschäft mit dem von allen Beteiligten gewollten Inhalt erfolgreich rechtlich durchgeführt werden kann. Er hat zwar von sich aus in den Fällen auf die Möglichkeit der Entstehung einer Steuerpflicht hinzuweisen, in denen gesetzliche Regelungen dies vorschreiben. Er muss dagegen nicht Tatsachen ermitteln, die für das eventuelle Eingreifen von Steuertatbeständen von Bedeutung sein können. Aus der allgemeinen Betreuungspflicht kann mithin keine spezielle steuerliche Ermittlungs- und Beratungspflicht abgeleitet und damit in Fällen nicht vorhergesehener Steuerfolgen aus Grundstücksgeschäften auch kein Schadensersatz aus behaupteter Amtspflichtverletzung hergeleitet werden: Die Amtspflichten des Notars zur Rechtsbelehrung (§ 17 Abs. 1 BeurkG) und zur allgemeinen Betreuung der Beteiligten (§ 14 Abs. 1 BNotO) erstrecken sich i. d. R. nicht auf die steuerlichen Folgen des zu beurkundenden Geschäfts. Die Pflicht nach § 19 BeurkG, auf das Erfordernis einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts (§ 22 GrEStG) hinzuweisen, bedeutet nicht, dass der Notar über den möglichen Anfall und die Höhe einer solchen Steuer oder steuersparende Gestaltungen zu unterrichten hätte (BGH v. 14.5.1992, IX ZR 262/91, DB 1992, 1819). Nur ausnahmsweise erstrecken sich die Amtspflichten des beurkundenden Notars auch auf steuerrechtliche Fragestellungen. So kann aus der ihm obliegenden Rechtsbelehrungspflicht und der daraus resultierenden Pflicht, die Vertragsschließenden über die Wirkungen ihrer Willenserklärungen und die Voraussetzungen für den Eintritt des angestrebten Rechtserfolgs aufzuklären, auch eine Pflicht zur Information über die daraus erwachsenden steuerlichen Folgen erwachsen. In Ausnahmefällen kann eine Aufklärung über steuerliche Folgen auch aufgrund der Betreuungspflicht des § 17 Abs. 1 S. 2 BeurkG geboten sein, z. B. wenn sich dem Notar die Vermutung aufdrängt, dass einem Vertragsbeteiligten Schaden droht und sich dieser dieser Gefahr nicht bewusst ist (vgl. BGH v. 13.6.1995, IX ZR 203/94, NJW 1995, 2794). Im Regelfall wird der Notar die Beteiligten bezüglich der steuerlichen Auswirkungen eines Rechtsgeschäfts an einen Steuerberater verweisen. Unterlässt der Notar dies und erteilt er im Zusammenhang mit dem Abschluss eines zu beurkundenden Rechtsgeschäfts zu auftretenden steuerlichen Fragen eine unzutreffende, unklare oder unvollständige Auskunft, so kann daraus eine Haftung des Notars in Betracht kommen (vgl. BGH v.20.9.2007, III ZR 33/07, NJW 2008, 1085).
Ein Notar kann eine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) begehen, wenn er ein von ihm beurkundetes Grundstücksgeschäft dem Finanzamt nicht anzeigt. Insoweit sind an einen Notar die gleichen Sorgfaltsanforderungen zu stellen wie an einen steuerlichen Berater (FG Bremen v. 19.1.1993, II 163/90 K, EFG 1993, 540). Nach FG Münster v. 24.9.2009, 8 K 2284/06 GrE, EFG 2010, 507, erfüllt die Nichterstattung der erforderlichen Anzeige gem. § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 GrEStG den objektiven Tatbestand einer (fremdnützigen) Steuerhinterziehung, wenn deshalb die Grunderwerbsteuer nicht rechtzeitig festgesetzt worden ist (§ 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 AO), was gem. § 169 Abs. 2 S. 2, 3 AO zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist von 4 auf 5 bzw. 10 Jahren führt. Das Fehlverhalten ist dem Notar dann nicht als Leichtfertigkeit i. S. d. § 378 AO vorzuwerfen, wenn er auf eine korrekte Anzeige durch eine stets zuverlässige Mitarbeiterin vertrauen durfte.