Dietrich Weilbach, Wolfgang Baumann
1 Bedeutung der Vorschrift
Rz. 1
Die Vorschrift regelt einerseits den zeitlichen Anwendungsbereich des am 1.1.1983 in Kraft getretenen GrEStG (Abs. 1) und seiner weiteren, zu späteren Zeitpunkten hinzugetretenen bzw. geänderten Vorschriften (Abs. 3 bis 7). Andererseits bestimmt sie über die weitere Anwendbarkeit des früheren – vor dem Inkrafttreten des GrEStG 1983 geltenden – Rechts auf Erwerbsvorgänge, die vor dem 1.1.1983 verwirklicht worden sind (Abs. 2).
Die ursprüngliche Fassung der Vorschrift umfasste lediglich die Abs. 1 und 2, denen als Überleitungsvorschrift vom alten Landesrecht zum GrEStG 1983 heute – mehr als vierzig
ig Jahre nach Inkrafttreten des GrEStG 1983 – keine Bedeutung mehr zukommt. Die nachfolgenden Absätze wurden aufgrund von Gesetzesänderungen erforderlich und ergänzt. So sind die Abs. 3 und 4 auf das Jahressteuergesetz – JStG – 1997 v. 20.12.1996 (BStBl I 1996, 1523) zurückzuführen. Sie regeln den zeitlichen Geltungsbereich der durch dieses Gesetz zum 1.1.1997 in Kraft getretenen Bestimmungen, wie z. B. den seinerzeit neu eingeführten § 1 Abs. 2a GrEStG (a. F.) – vgl. Art. 7 Nr. 1a JStG 1997 –, die Anwendung der neuen Grundbesitzwerte (§ 8 Abs. 2 GrEStG i. d. F. des JStG 1997) – Art. 7 Nr. 3 JStG 1997 –, die Anwendung des auf 3,5 % erhöhten Steuersatzes – § 11 GrEStG i. d. F. von Art. 7 Nr. 6 JStG 1997 – sowie die letztmalige Anwendung des § 10 GrEStG – Art. 7 Nr. 5 JStG 1997. Beide Absätze wurden in der Folge dann durch Art. 15 Nr. 11 Buchst. a und b des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/ 2002 geändert. Ebenfalls durch Art. 15 Nr. 11 (Buchst. c) des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 wurden die Abs. 5 und 6 neu eingefügt. Sie sind in den durch Art. 15 Nr. 1 bis 9 dieses Gesetzes geschaffenen Rechtsänderungen begründet. Abs. 7 regelt schließlich den zeitlichen Anwendungsbereich der durch das Steueränderungsgesetz 2001 v. 20.12.2001 – StÄndG 2001 (BStBl I 2002, 4) eingetretenen Gesetzesmodifizierungen.
Es gibt auch eine Reihe von grunderwerbsteuerrechtlichen Rechtsänderungen, die keinen Niederschlag in der Vorschrift des § 23 GrEStG gefunden haben. In diesem Zusammenhang sei z. B. die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 8 GrEStG bei Fusionen von Wohnungsgesellschaften oder Wohnungsgenossenschaften mit Grundbesitz in den neuen Ländern erwähnt, die durch Art. 18 des Gesetzes zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz - EURLUmsG) v. 9.12.2004 (BGBl I 2004, 3310; BStBl I 2004, 1158) in das Gesetz eingefügt worden ist. Dies ist dann – wie auch bei § 4 Nr. 8 GrEStG – darauf zurückzuführen, dass in den jeweiligen geänderten Vorschriften selbst der entsprechende zeitliche Anwendungsbereich festgelegt ist. So schreibt § 4 Nr. 8 GrEStG für die Inanspruchnahme der Vergünstigung vor, dass die Verschmelzung oder Spaltung der Wohnungsgesellschaften oder Wohnungsgenossenschaften nach dem 31.12.2003 und vor dem 1.1.2007 erfolgen muss.
2 Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs
Rz. 2
§ 23 GrEStG stellt bei der Anwendung des Grunderwerbsteuergesetzes 1983 in seiner ursprünglichen Fassung und der nachfolgenden, durch das JStG 1997, das StEntlG 1999/2000/2002 sowie das StÄndG 2001 geänderten Rechtsvorschriften des Gesetzes auf die "Verwirklichung des Erwerbsvorgangs" ab. Aus dem in diesem Zusammenhang verwendeten Begriff "Erwerbsvorgang" wird deutlich, dass Anknüpfungspunkt nicht der Grundstückserwerb selbst (= wirtschaftlicher Erfolg des Rechtsgeschäfts) ist, sondern ein i. S. d. § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG verwirklichter Rechtsvorgang (z. B. Abschluss eines Grundstückskaufvertrags). Entscheidend für die Anwendung des jeweiligen Rechts ist also, wann ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Tatbestand i. S. d. § 1 Abs. 1, 2, 2a oder 3 GrEStG eingetreten ist. Auf die Entstehung der Steuer (vgl. § 38 AO und § 14 GrEStG) kommt es demzufolge nicht an.
Entsprechendes gilt auch für den zeitlichen Anwendungsbereich der Steuersätze für die Grunderwerbsteuer auf der Grundlage der hierzu ergangenen Ländergesetze (vgl. § 11 GrEStG Rz. 3), in denen für die Geltung der neuen Steuersätze stets auf den Zeitpunkt der Verwirklichung eines Rechtsvorgangs bzw. Erwerbsvorgangs abgestellt wird. So ist z. B. in § 3 des baden-württembergischen Gesetzes über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer v. 26.10.2011 (GBl BW 2011, 493) bestimmt, dass der erhöhte Steuersatz der Grunderwerbsteuer für Rechtsvorgänge gilt, die nach dem Tag der Verkündung des Gesetzes verwirklicht werden.
Verwirklicht ist ein Erwerbsvorgang nach der ständigen Rechtsprechung des BFH dann, wenn das darauf gerichtete Wollen der Vertragsparteien seinen Niederschlag in entsprechenden rechtsgeschäftlichen Erklärungen gefunden hat. Dies ist der Fall, wenn die abgegebenen Willenserklärungen der am Rechtsgeschäft Beteiligten diese im Verhältnis zueinander binden. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein solcher Rechtsvorgang bereits zur Entstehung der Steuer geführt hat oder nicht (vgl. BFH v. 17.9.1986, II R 136/84, BStBl II 1987, 35; BFH...