Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 4
Eine der Hauptpflichten des Verkäufers ist es, den Kaufgegenstand (bzw. das Recht zu dessen Besitz) frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übergeben (vgl. § 433 Abs. 1 S. 2, § 453 Abs. 1 und Abs. 3 BGB). Verstößt der Verkäufer gegen diese Pflicht, stehen dem Käufer die sich aus den §§ 437ff. BGB ergebenden Rechte zu. Nach § 442 Abs. 1 S. 1 BGB sind diese Rechte des Käufers jedoch ausgeschlossen, wenn er bei Abschluss des Kaufvertrags die Mängel kennt. In der Praxis werden häufig im notariell beurkundeten Kaufvertrag Regelungen über einen Gewährleistungsausschluss aufgenommen.
Nach § 435 S. 1 BGB ist eine Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf diese keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Rechtsmängel liegen allgemein formuliert vor, wenn Dritte einen Anspruch an dem Grundstück geltend machen können. Zu den Rechtsmängeln eines Grundstücks zählen die im Grundbuch eingetragenen Rechte (z. B. Grundpfandrechte, Grunddienstbarkeiten, Nießbrauch, Reallasten). Nicht dazu gehören hingegen nachbarrechtliche Beschränkungen (z. B. der Überbau).
Nach § 442 Abs. 2 BGB hat der Verkäufer eines Grundstücks ein im Grundbuch eingetragenes Recht zu beseitigen, auch wenn es der Käufer kennt. Diese Bestimmung ist durch eine ausdrückliche Übernahme dieser Belastungen durch den Erwerber abdingbar. Bei Übernahme grundpfandrechtlich gesicherter Darlehensverbindlichkeiten durch den Erwerber ist zu prüfen, ob damit lediglich eine Übernahme der Verbindlichkeiten an Erfüllungs statt vereinbart wurde. Nach BFH v. 26.10.1994, II R 2/92, BFH/NV 1995, 638, kann diese Schlussfolgerung allein aus dem ebenfalls im Kaufvertrag verwendeten Wort "Kaufpreis" nicht gezogen werden. Das Wort "Kaufpreis" kann auch eine bloße Rechnungsgröße (vgl. Rz. 2h) darstellen, die sich aus der Summe der Valutastände der übernommenen grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensverbindlichkeiten ergibt. Die Übernahme einer Darlehensverbindlichkeit wird dann als selbstständige Leistung und demzufolge als sonstige Leistung i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zu beurteilen sein. Der im Kaufvertrag bezeichnete Kaufpreis stellt regelmäßig nur eine Rechnungsgröße dar, wenn in diesem Vertrag die Übernahme von Grundpfandrechten "in Anrechnung auf den Kaufpreis" vereinbart wird. Die übernommene grundpfandrechtlich gesicherte Schuld ist daher auch hier eine sonstige Leistung. Der Geldforderungsanspruch des Verkäufers kann allerdings auch in der vollen Höhe des vereinbarten Kaufpreises entstehen (vgl. BFH v. 1.10.1975, II R 84/70, BStBl II 1976, 128 mit Anmerkungen in HFR 1976, 111).
Rz. 4a
Die Beseitigungspflicht aus § 442 Abs. 2 BGB umfasst u. a. auch die das Grundstück belastenden Grundpfandrechte (Hypothek – § 1113 BGB, Grundschuld – § 1191 BGB, Rentenschuld – § 1199 BGB). Wird diese Beseitigungspflicht vertraglich abbedungen und übernimmt der Grundstückskäufer bereits vorhandene Grundpfandrechte, so kommt es für die grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung der übernommenen Grundpfandrechte auf den tatsächlichen Inhalt der zwischen den Vertragsparteien getroffenen (Preis-)Vereinbarung an. Nicht ausschlaggebend ist daher, was die Vertragsschließenden als Kaufpreis bezeichnet haben, sondern vielmehr das, was der Käufer nach dem Vertragsinhalt als Gegenleistung zu erbringen hat (BFH v. 14.11.1967, II 93/63, n. v., und BFH v. 26.4.1972, II R 188/71, n. v.; vgl. § 8 GrEStG Rz. 3). Dies muss im Einzelfall durch Auslegung des Vertrags unter Berücksichtigung des tatsächlichen Willens der Vertragsparteien ermittelt werden (§§ 133, 157 BGB).
Rz. 4b
Ist kaufvertraglich ein fester Kaufpreis in Gestalt eines bestimmten Geldbetrags vereinbart und wird eine grundpfandrechtlich gesicherte Schuld nur an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber übernommen, so erlischt der Kaufpreisanspruch des Verkäufers – unabhängig vom tatsächlichen Wert der übernommenen Schuld – nur in Höhe der Schuldübernahme (§ 364 Abs. 1 und 2 BGB); dem Verkäufer steht ansonsten noch der volle Restkaufpreis zu. In einem solchen Fall ist unabhängig vom Bestand der übernommenen Schuld der vereinbarte Kaufpreis als Gegenleistung anzusetzen. Im Ergebnis handelt es sich lediglich um eine vorweg vereinbarte Tilgungsmodalität (vgl. Hofmann, GrEStG, 9. Aufl. 2010, § 9 GrEStG Rz. 4).
Rz. 4c
Anders stellt sich die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung dar, wenn die Beseitigungspflicht aus § 442 Abs. 2 BGB vertraglich abbedungen wird und die Grundpfandrechte vom Erwerber zusätzlich zu einem als Summe des Werts von Einzelleistungen vereinbarten Kaufpreis oder anstelle eines solchen Kaufpreises übernommen werden. In einer solchen Übernahme ist eine sonstige Leistung i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zu sehen (vgl. BFH v. 26.10.1994, II R 2/92, BFH/NV 1995, 638; BFH v. 11.10.2002, II B 193/01, BFH/NV 2003, 201). Dem steht die Angabe eines Gesamtkaufpreises nicht entgegen, wenn dieser das Ergebnis einer Zusammenrechnung der Höhe nach bekannter Einzelleistungen ist (BFH v. 17...