Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 11e
Bei den Erwerben im Zwangsversteigerungsverfahren sind für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage neben § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG auch die Bestimmungen des § 9 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 GrEStG einschlägig (BFH v. 16.10.1985, II R 99/85, BStBl II 1986, 148). So sind auch hier zusätzlich gewährte Leistungen i. S. v. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG der Gegenleistung hinzuzurechnen. Nach dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG sollen damit alle Leistungen erfasst werden, die der Erwerber (Ersteher) eines Grundstücks für den Erwerb des Grundstücks aufzubringen hat. Zur Gegenleistung ist daher auch der Betrag zu rechnen, den ein Meistbietender an den Grundstückseigentümer entrichtet, um zu verhindern, dass die Erteilung des Zuschlags an ihn vereitelt wird. Wird eine entsprechende Zahlung erst nach der Abgabe des Meistgebots geleistet, ist die zusätzliche Gegenleistung durch einen gesonderten Bescheid zu erfassen (BFH v. 3.2.1982, II R 141/80, BStBl II 1982, 334).
Rz. 11f
Nach § 114 a ZVG gilt der zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigte Ersteher unter bestimmten Voraussetzungen insoweit als befriedigt, als sein Anspruch durch das abgegebene Meistgebot nicht abgedeckt ist. § 114 a ZVG wahrt das Interesse des Vollstreckungsschuldners an einer möglichst wertgerechten Versteigerung des Grundstücks (vgl. BT-Drs I/3668, S. 16f.). Die Vorschrift dient dem Schutz des Vollstreckungsschuldners und findet auf alle Versteigerungsverfahren des ZVG Anwendung. § 114 a ZVG soll ferner einen Ausgleich dafür schaffen, dass andere potentielle Bieter erfahrungsgemäß von Geboten absehen, solange ein dinglich gesicherter Gläubiger innerhalb der Grenzen seiner Sicherheit bietet (BGH v. 6.7.1989, IX ZR 4/89, BGHZ 108, 248; BGH v. 9.10.1992, IX ZR 165/91, BGHZ 117, 8). Die Vorschrift bewirkt, dass die Forderung des zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigten Gläubigers gegenüber dem Zwangsvollstreckungsschuldner auch insoweit erlischt, als sein bares Meistgebot (ohne Meistgebotszinsen nach § 49 Abs. 2 ZVG) zuzüglich bestehen bleibender Rechte hinter 7/10 des Grundstückswerts zurückbleibt (vgl. Stöber, ZVG, 20. Aufl. 2012, § 114 a Rz 3.2). Der berechtigte Gläubiger und der Vollstreckungsschuldner werden rechtlich so gestellt, als ob der Gläubiger ein Gebot abgegeben hätte, das 7/10 des Grundstückswerts erreicht. Der Gläubiger gilt mit dem Zuschlag als befriedigt, soweit durch ein solches Gebot sein Anspruch gedeckt ist, ihm also der Erlös im Verteilungsverfahren zuzuteilen gewesen wäre, Beim Zwangsvollstreckungsschuldner tritt in Höhe des fiktiven Befriedigungsbetrags zwangsläufig kraft Gesetzes eine Schuldbefreiung ein. Damit soll verhindert werden, dass ein zur Befriedigung aus dem Grundstück und innerhalb der 7/10-Grenze liegender Berechtigter, der nur an die untere Grenze seines weit höheren dinglichen Rechts bietet, wegen diesen Rechts von anderen nicht überboten wird und bei der Erlösverteilung ganz oder zum Teil ausfällt, seine persönliche Forderung gegenüber dem Schuldner aber dennoch behält, obwohl ihm das Grundstück weit unter Wert zugeschlagen wurde (vgl. BFH v. 16.10.1985, II R 99/85, BStBl II 1986, 148; BGH v.13.11.1986, IX ZR 26/86, BGHZ 99, 110; BFH v. 15.11.1989, II R 71/88, BStBl II 1990, 228; BFH v. 13.12.2007, II R 28/07, BStBl II 2008, 487; BFH v. 8.10.2008, II B 42/08, BFH/NV 2009, 46; BFH v. 25.8.2010, II R 36/08, BFH/NV 2010, 2304; Hofmann, GrEStG, 9. Aufl. 2014, § 9 Rz. 43; Pahlke/Franz, GrEStG, 4. Aufl. 2010, § 9 Rz. 126).
Hat ein Grundstücksgläubiger, der zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigt ist, das Meistgebot abgegeben, so ist auch der durch dieses Gebot nicht gedeckte Anspruch des Meistbietenden als Teil der Gegenleistung dem Meistgebot hinzuzurechnen. Das gilt allerdings nur, soweit die Gesamtleistung den Wert des Grundstücks übersteigt. Hierbei wird aber das Grundpfandrecht höchstens mit dem Betrag angesetzt, den der Meistbietende für den Erwerb des Rechts aufgewendet hat (BFH v. 17.8.1960, II 193/58, BStBl III 1960, 447).
Nach der Rechtsprechung des BFH tritt die Tilgungswirkung des § 114 a ZVG zu der durch Meistgebot und Zuschlag bestimmten Gegenleistung als zusätzliche Leistung i. S. d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG hinzu (vgl. BFH v. 15.11.1989, II R 71/88, BStBl II 1990, 228; BFH v. 16.3.1994, II R 94/91, BStBl II 1994, 525, und BFH v. 13.12.2007, II R 28/07, BStBl II 2008, 487; BFH v. 25.8.2010, II R 36/08, BFH/NV 2010, 2304). Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber die der Zwangsversteigerung zugrunde liegenden Grundpfandrechte nebst den damit gesicherten Forderungen erworben hatte. Der für die Forderungen gezahlte Kaufpreis ist danach ohne Bedeutung (BFH v. 8.10.2008, II B 42/08, BFH/NV 2009, 46). Diese sog. Befriedigungsfiktion ist gesetzliche Folge des Meistgebots und des anschließenden Zuschlags. Wird einem zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigten der Zuschlag zu einem Gebot erteilt, das hinter 7/10 des Grundstückswerts zurückbleibt, gilt der Ersteher gem. § 114 a ZVG auch inso...