Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 37
Die Rechtsprechung hat Kriterien entwickelt, wonach abweichend von diesem Grundsatz Bau- oder sonstige vertragliche Leistungen in Zusammenhang mit der Bebauung eines Grundstücks in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage miteinbezogen worden sind. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH v. 30.8.2017, II R 48/15, BStBl II 2018, 24 m. w. N.) bestimmt der Kaufvertrag den für die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer maßgeblichen Erwerbsvorgangs. Weitere Vereinbarungen, die mit dem Kaufvertrag in (rechtlichem oder objektiv sachlichem) Zusammenhang stehen, können jedoch mit einbezogen werden. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags an. Zu fragen ist, ob der Erwerber seine Entscheidungsfreiheit im Hinblick auf die Bebauung aufgibt. Auf der Veräußererseite können mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, die in ein "Vertragsgeflecht" miteinbezogen sein müssen, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Zu prüfen ist, ob die auf Veräußererseite agierenden Personen personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind. Ist das nicht der Fall, reicht ein "hinwirken" auf die Bebauung des Grundstücks aus. Dabei müssen keine vertraglichen Abreden getroffen werden. Der BFH lässt es genügen, wenn Anhaltspunkte für Abreden der Veräußererseite festgestellt werden und benennt beispielhaft einen gemeinsamen Vermarktungsprospekt oder einen gemeinsamen Internetauftritt des Grundstücksveräußerers und des Bauunternehmens. Als "Abrede" genügt, dass der Veräußerer dem Erwerber (konkrete interessierte) Bauunternehmen benennt. Der Grundstückseigentümer muss selbst keine Aktivitäten entfalten, es kann ausreichen, wenn er den Bauunternehmer das Grundstück vermarkten lässt.
Das Rechtsinstitut des einheitlichen Vertragswerks hat für die Praxis erhebliche Folgen.
Denn eine vertragliche Bindung, die zum Zeitpunkt des Grundstücksübergangs dahin geht, ein auf dem Grundstück zu errichtendes Gebäude bereits in allen Detailplanungen festzulegen, kann zu einer erheblichen "Verbreiterung der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage" führen.
Um das Risiko bewerten zu können, wann eine derartige "Gefahr" droht, ist eine Kenntnis der Kasuistik zu diesem Thema unerlässlich. Auch die jetzige "Verankerung" in § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG ändert daran nichts, da sie die bisherige Rechtsprechung, die im Wesentlichen Fälle i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG betroffen hat, nicht tangiert.
§ 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG setzt voraus, dass sich der Erwerb auf ein noch zu errichtendes Gebäude erstreckt. Unter welchen Voraussetzungen davon ausgegangen werden muss, regelt die Vorschrift nicht. Damit setzt die Norm auf einer Zwischenstufe der Prüfung ein; sie unterstellt bereits den Erwerb nicht nur eines Grundstücks, sondern auch eines noch zu errichtendes Gebäudes. Die Frage, wann von einem solchen Erwerb auszugehen ist, bemisst sich auch künftig nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien.
Rz. 38
Die Entwicklung des Rechtsinstituts "einheitliches Vertragswerk" hat in der zivilrechtlichen Judikatur ihren Anfang genommen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich bereits Mitte der sechziger Jahre mit der Frage befassen müssen, ob ein einheitliches Rechtsgeschäft i. S. v. § 139 BGB (Teilnichtigkeit von Rechtsgeschäften) auch bei einer Mehrheit von äußerlich getrennten in verschiedenen Urkunden niedergelegten Geschäften vorliegt, wenn die Geschäfte nach dem Willen der Vertragsparteien derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander stehen und fallen sollen (BGH v. 20.5.1966, MDR 1966, 749; BGH v. 6.11.1980, NJW 1981, 274). Nicht erforderlich dabei ist, dass sich der Einheitswille bereits aus den schriftlichen Vereinbarungen ergibt. Maßgebend ist der unter Berücksichtigung der Interessen aller Vertragsschließenden und ihres erklärten Willens mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB) zu ermittelnde Einheitswille der Beteiligten zur Zeit des Vertragsschlusses.
Es genügt, wenn nur einer der am Vertrag Beteiligten einen Einheitswillen hat und der andere Vertragspartner dies – aus welchen Gründen auch immer – hinnimmt. Nicht erforderlich ist demnach der Wille beider Parteien, ein Bündel von Verträgen als einheitlich zu behandeln. Ebenfalls nicht notwendig ist es, dass bei jedem Vertrag jeweils dieselben Personen Vertragspartner sind.
Maßgebendes Indiz für den Willen zur Einheitlichkeit kann nach der höchstrichterlichen zivilrechtlichen Rechtsprechung ein wirtschaftlicher Zusammenhang sein.
So hat der BGH in der Entscheidung vom 6.11.1980 einen Bauvertrag als beurkundungspflichtig qualifiziert, da er mit dem beabsichtigten Grundstückserwerb eine Einheit bildete. Zwar sei bei getrennt abzuschließenden Verträgen zunächst von deren Selbstständigkeit auszugehen. Dies gelte aber dann nicht, wenn eine Zeitungsanzeige Gebäude und Grundstück, auch...