Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 46
Die unter 3.3 dargestellten Grundsätze waren von dem Umstand geprägt, dass zum Zeitpunkt des Erwerbs der Veräußerer selbst ein Vertragsbündel angeboten hat.
Es sind freilich auch Fälle denkbar, bei denen die vertragliche Bindung nicht mit dem Veräußerer, sondern mit einer dieser nahestehenden Person besteht.
Nachfolgend soll der Versuch unternommen werden, die Abgrenzungskriterien für diese Variante darzustellen.
Wegweisend hierfür ist ein immer noch aktuelles Urteil des BFH aus dem Jahre 1995.
Danach ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand, wenn mehrere auf der Veräußererseite auftretende Personen aufgrund von Abreden bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch des Bebauungsvertrags hinwirken. Ein abgestimmtes Verhalten kann auch vorliegen, wenn ein freier Handelsvertreter als Grundstückseigentümer, der gleichzeitig als Vertriebsbeauftragter für eine Baufirma tätig ist, in der Lage ist, dem Erwerber ein konkret ausgestaltetes Angebot hinsichtlich des Grundstücks in bebautem Zustand zu machen und er ein wirtschaftliches Interesse am Abschluss aller Verträge hat. Ohne Bedeutung ist in diesem Fall, ob und inwieweit Vertreter und Baufirma konkrete Absprachen hinsichtlich ihres Zusammenwirkens getroffen haben (BFH v. 23.8.1995, II R 93/92, BFH/NV 1996, 354.
Ein vergleichbarer Fall liegt vor, wenn der Eigentümer des unbebauten Grundstücks dieses einem Projektanbieter an die Hand gibt und der Anbieter das Grundstück durch Bebauung maßgebend verändert. Durch die Einwirkungsmöglichkeit auf den Zustand des Grundstücks hat der Projektanbieter eine Verwertungsbefugnis i. S. d. § 1 Abs. 2 GrEStG erlangt; er tritt damit ebenfalls als Veräußerer auf. Dem Erwerber tritt damit neben dem Grundstücksveräußerer der Projektanbieter als Veräußerer des (bebauten) Grundstücks gegenüber. Zwar entstehen in den Fällen, wo einem Dritten eine Verwertungsmöglichkeit eingeräumt wurde, grundsätzlich keine grunderwerbsteuerlich relevanten Rechtsbeziehungen zwischen Verwertungsbefugtem und Erwerber. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn es in der Hand des Verwertungsbefugten liegt, das Grundstück in einem anderen Zustand beim Erwerber "ankommen" zu lassen als es ursprünglich beim Veräußerer vorhanden war (BFH v. 21.12.1988, II B 47/88, BStBl II 1989, 333).
Beiden Fällen gemein ist, dass diejenigen, die neben dem Veräußerer als handelnde Personen – i. d. R. zuständig für die Bauerrichtung oder andere Leistungen im Servicebereich – tätig werden, eine mehr oder weniger ausgeprägte Einflussmöglichkeit auf das Schicksal des Gesamtobjektes haben; entscheidend ist vor allem aber, dass sie an der Übergabe des Gesamtobjekts ein eigenes wirtschaftliches Interesse haben.
Zur Unterscheidung der Fallgruppen beim einheitlichen Vertragswerk siehe auch FinMin Schleswig-Holstein v. 21.3.2011, VI 355 – S 4521 – 113, Haufe HI 2766617.