Leitsatz
1. Beim Vorliegen des Vermögensverfalls des Steuerberaters ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dadurch die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet sind; nur in Ausnahmefällen ist ein Absehen von dem gebotenen Widerruf der Bestellung gestattet. Die Darlegungs- und Feststellungslast für diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand liegt bei dem betroffenen Steuerberater.
2. Erforderlich ist ein auf die konkrete Situation des betroffenen Steuerberaters bezogener substanziierter und glaubhafter Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird. Ob dieser Entlastungsbeweis gelungen ist, ist eine Frage der dem Tatrichter vorbehaltenen Tatsachenwürdigung.
3. Der Umstand allein, dass die steuerberatende Tätigkeit im Angestelltenverhältnis ausgeübt wird, reicht für den Entlastungsbeweis nicht aus; jedoch können arbeitsvertragliche Beschränkungen des angestellten Steuerberaters im Hinblick auf Treuhänder- oder Verwaltungsbefugnisse über Gelder oder sonstige Vermögenswerte der Mandanten im Einzelfall geeignet sein, den Entlastungsbeweis zu erbringen, wenn ihre Einhaltung vom Arbeitgeber wirksam kontrolliert werden kann.
4. Eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen lässt sich nicht ausschließen, wenn sich der betroffene Steuerberater in sonstigen geschäftlichen oder auch eigenen Angelegenheiten als unzuverlässig erwiesen hat und sich an gesetzliche Vorgaben nicht hält, weshalb im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung insbesondere die Verletzung steuerlicher Pflichten des Steuerberaters zu seinen Ungunsten zu berücksichtigen ist.
Normenkette
§ 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG
Sachverhalt
Die Bestellung eines Steuerberaters, der als Gesellschafter-Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft tätig ist, wurde wegen Vermögensverfalls widerrufen. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos.
Entscheidung
... resümiert im Wesentlichen die bisherige Rechtsprechung des BFH. Sie setzt die strenge gesetzliche Wertung um, dass ein in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geratener Steuerberater im Allgemeinen seine Bestellung verlieren muss.
Hinweis
§ 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG, die wichtige und -- leider -- häufig zum Zug kommende Widerrufsvorschrift, schreibt den Widerruf bei Vermögensverfall zwingend vor.
Diese Anordnung des Gesetzes gewinnt dadurch noch zusätzlich an Schärfe, dass "Vermögensverfall" vermutet wird, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder dieser in das vom Schuldnerverzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist.
Die (ebenfalls auf einer Vermutung -- nämlich: Gefährdung der Mandanteninteressen bei Vermögensverfall -- beruhende) Regel des Widerrufs bei Vermögensverfall wird durch einen Ausnahmetatbestand aufgelockert, nämlich wenn durch den Vermögensverfall die Interessen der Auftraggeber des Steuerberaters nicht gefährdet sind.
Dem Ausnahmecharakter dieser Regeldurchbrechung entsprechend muss das aber der Steuerberater darlegen und ggf. beweisen. Vor allem aber stellt die Rechtsprechung insofern materiell hohe Anforderungen, die noch kaum jemand erfüllt hat; nur dass der Betreffende im Angestelltenverhältnis tätig ist, genügt nicht, erst recht nicht Tätigkeit im Rahmen einer Gesellschaft.
Beachten Sie, dass hinsichtlich der Erfüllung dieser Voraussetzungen die Würfel weitgehend beim FG fallen: Der BFH kann die Würdigung des FG als auf tatsächlichem Gebiet gelegen nur eingeschränkt überprüfen. Daraus dürften sich weitgehend die bisweilen monierten Unterschiede zwischen der BFH-Rechtsprechung und der Rechtsprechung des Anwaltssenats des BGH erklären, welcher Tatsacheninstanz ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 04.12.2007, VII R 64/06