Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Das FG Münster entschied, dass ein bankseitig gezahlter Nutzungsersatz für erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen, der infolge des Widerrufs eines Darlehensvertrags gezahlt wird, zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen führt. Das letzte Wort hat der BFH.
Sachverhalt
Die klagenden Eheleute schlossen zur Finanzierung ihres selbstbewohnten Hauses im Jahr 2004 drei Wohnungsbaudarlehen über insgesamt 197.000 EUR ab und bedienten anschließend die Zins- und Tilgungsraten. Nach 10 Jahren kündigten sie den Darlehensvertrag (ordentliches Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) und zahlten den abgerechneten Betrag an die Bank zurück. Einige Monate später widerriefen sie ihre damalige, auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung und verwiesen insoweit auf die fehlerhafte Widerrufsbelehrung im Vertrag. Vor dem Landgericht klagten sie gegen die Bank auf Zahlung einer Entschädigung für die Nutzung der Zins- und Tilgungsleistungen. Im Vergleichswege zahlte die Bank schließlich 15.000 EUR, behielt von diesem Betrag allerdings Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ein.
Das Finanzamt erfasste die Vergleichssumme im Einkommensteuerbescheid 2018 – unter Anwendung des Sparer-Pauschbetrags – als steuerpflichtigen Kapitalertrag, die Eheleute klagten gegen diese Einordnung und machten unter anderem geltend, dass es sich um eine nicht steuerpflichtige Rückerstattung handele.
Entscheidung
Das FG entschied, dass das Finanzamt den Betrag zu Recht der Besteuerung unterworfen hatte. Der den Eheleuten zugeflossene Nutzungswertersatz zählte zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art). Als Entgelt für eine Kapitalüberlassung im Sinne dieser Norm ist der Nutzungswertersatz zu erfassen, den die Eheleute für die bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen erhalten hatten. Der Anspruch auf Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen aus dem Rückgewährschuldverhältnis, aus dem der hier streitige Nutzungswertersatzanspruch erwächst, stellt eine sonstige Kapitalforderung im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG dar. Diese Einordnung entspricht der zivilrechtlichen Wertung, denn der BGH hat in Bezug auf den Nutzungsersatzanspruch des Darlehensnehmers ausdrücklich ausgeführt, dass der Darlehensnehmer so gestellt werde, als habe er eine verzinsliche Wertanlage getätigt. Der Besteuerung stand nicht entgegen, dass die Eheleute aus dem Widerruf – bei wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung des Rückabwicklungsverhältnisses insgesamt keinen Überschuss erzielt hatten, denn nach der BGH-Rechtsprechung handelt es sich bei den wechselseitigen Ansprüchen aufgrund des Darlehenswiderrufs grundsätzlich um eigenständige Ansprüche und nicht bloß um automatisch zu saldierende Berechnungsposten.
Hinweis
Das Revisionsverfahren im vorliegenden Fall ist beim BFH anhängig, Az beim BFH VIII R 5/22. Zur streitigen Rechtsfrage sind bereits eine Reihe weiterer Verfahren beim BFH anhängig (Az beim BFH VIII R 30/19, Az beim BFH VIII R 5/21, Az beim BFH VIII R 30/19, Az beim BFH VIII R 11/21, Az beim BFH VIII R 13/21, Az beim BFH VIII R 21/21). Bis zur abschließenden höchstrichterlichen Klärung kann in gleichgelagerten Fällen mit einem Einspruch ein Ruhen des Verfahrens erreicht werden.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil v. 13.01.2022, 3 K 2991/19 E