Leitsatz
1. Bei einer Streitigkeit darüber, ob eine erloschene Abgabenschuld nach § 144 Abs. 1 InsO rückwirkend wieder aufgelebt ist, handelt es sich um eine Streitigkeit über die Verwirklichung eines Steueranspruchs i.S. von § 218 Abs. 2 AO.
2. § 144 Abs. 1 InsO setzt auch bei einem in einem Drei-Personen-Verhältnis geschlossenen Vergleich voraus, dass die Leistung anfechtbar war.
Normenkette
§ 143, § 144 Abs. 1 InsO, § 218 Abs. 2, § 37 AO
Sachverhalt
Die Klägerin (Einzelunternehmen) hatte ein Grundstück an die B-GmbH, deren alleinige Geschäftsführerin sie bis zum 30.6.2009 war, als Betriebsgrundstück vermietet, weswegen bis zum 30.6.2009 eine umsatzsteuerliche Organschaft bestand. Die Klägerin hatte hinsichtlich ihrer Einnahmen aus VuV des Betriebsgrundstücks nicht zur USt optiert. Sie schuldete aufgrund von Umsätzen der B-GmbH USt-Vorauszahlungen für die Monate ab Januar 2009. Die B-GmbH überwies diese USt an das FA.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B-GmbH focht der Insolvenzverwalter gemäß §§ 131 und 133 InsO wegen inkongruenter Deckung die USt-Zahlungen der B-GmbH für die Monate Januar bis Juni 2009 an. Im Mai 2013 schlossen der Insolvenzverwalter und das FA einen Vergleich dahin gehend ab, dass das FA einen Betrag von ... EUR aufgrund erklärter Anfechtung zahle und damit die Anfechtung erledigt sei. Das FA entrichtete den Betrag an den Insolvenzverwalter.
Im Juni 2013 forderte das FA die Klägerin auf, den Betrag i.H.d. USt-Vorauszahlungen für die Monate Januar bis Juni 2009 zu zahlen. Später verrechnete das FA ein Guthaben aus der ESt-Festsetzung 2011, betreffend die Klägerin und ihren Ehemann, mit den nunmehr wieder offenen Forderungen des FA, bezüglich USt-Vorauszahlungen Januar bis April 2009.
In dem von der Klägerin daraufhin beantragten Abrechnungsbescheid stellte das FA in den (streitgegenständlichen) Positionen Nr. 2 bis 7 fest, dass die USt-Vorauszahlungen für die Monate Januar bis März 2009 durch Zubuchungen aus der ESt 2011 vollständig, für April 2009 teilweise und für die Monate Mai und Juni 2009 aufgrund der Erstattung an den Insolvenzverwalter wegen Anfechtung noch nicht getilgt seien.
Nach erfolglosem Einspruch hatte der Hilfsantrag der Klägerin Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.12.2018, 9 K 9117/16, Haufe-Index 13029854, EFG 2019, 674). Das FG nahm die umstrittenen Positionen Nr. 2 bis 7 aus dem angefochtenen Abrechnungsbescheid heraus. Das FA habe diesbezüglich zu Unrecht einen Abrechnungsbescheid erlassen. Hinsichtlich der Erstattungszahlungen fehle es an einem Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.v. § 37 Abs. 1 AO. Es handele sich um bürgerlich-rechtliche Ansprüche, die vor den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verfolgen seien.
Entscheidung
Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.
Das FG wird zu ermitteln haben, ob es sich im Streitfall bei den Zahlungen der B-GmbH zur Begleichung der USt-Schulden aus den Voranmeldungszeiträumen Januar bis Juni 2009 um anfechtbare Leistungen gehandelt hat.
Hinweis
1. Im Streitfall ging es um einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO. Durch einen solchen Abrechnungsbescheid entscheidet das FA über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 37 AO betreffen. Nach § 37 Abs. 1 AO sind Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO oder die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.
2. Das FA durfte nur dann mit Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO entscheiden, wenn es sich bei der nach § 144 Abs. 1 InsO aufgelebten Forderung um einen Steueranspruch handelt. Das hat der BFH für den Streitfall bejaht.
Bereits der Wortlaut der Vorschrift legt nahe, dass es sich bei der Forderung, die von der Rechtsfolge des § 144 Abs. 1 InsO erfasst wird, um die nämliche Forderung handelt, die aufgrund der zunächst erfolgten Leistung erloschen ist. Das entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 144 Abs. 1 InsO, der darauf abzielt, möglichst den Zustand wiederherzustellen, der ohne die anfechtbare Rechtshandlung bestand.
Zwar hatte der erkennende Senat in der Vergangenheit entschieden, dass der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr in anfechtbarer Weise geleisteter Steuern nach § 143 Abs. 1 InsO kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.d. § 37 AO ist, über den durch Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 2 AO entschieden werden kann, sondern ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch (BFH, Urteil vom 12.11.2013, VII R 15/13, Rz. 6, Haufe-Index 6561589, BFH/NV 2014, 746). Jedoch lässt § 143 Abs. 1 InsO, anders als § 144 Abs. 1 InsO, keinen früheren Anspruch wieder aufleben.
3. Das FG hat dagegen maßgeblich darauf abgestellt, dass die entscheidende und vorrangige Frage die der Anfechtungsberechtigung sei und sich diese allein nach den §§ 129ff. InsO