Leitsatz
Der Steuerpflichtige muss sich bei der Frage des Verschuldens das Organisationsverschulden seines steuerlichen Beraters zurechnen lassen.
Sachverhalt
Strittig war, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren war. Die Einspruchsentscheidung ging unstrittig am 21.12.2023 beim steuerlicher Vertreter der Klägerin ein. Die Klage wiederum ging am 26.1.2024 beim Finanzgericht ein. Zusammen mit der Klage wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt. Begründet wurde dies damit, dass die Einspruchsentscheidung am 22.12.2023 an die Klägerin weitergeleitet worden sei. Diese habe in einer Antwortmail an die E-Mailadresse, von der ihr die Einspruchsentscheidung zugeleitet wurde, den Auftrag zur Klageerhebung erteilt. Diese E-Mail sei erst nach Büroschluss beim steuerlichen Berater eingegangen und dann nach den Feiertagen nicht wahrgenommen worden. Die E-Mail an den zuständigen Sachbearbeiter sei aus nicht nachvollziehbaren Gründen dort nicht eingegangen. Deshalb sei die Klage nach Ablauf der Klagefrist erhoben worden. Die Versäumung der Frist sei aber entschuldigt.
Entscheidung
Die Klage wurde vom Finanzgericht als unzulässig abgewiesen. Unstrittig sei die Klage außerhalb der Klagefrist von einem Monat erhoben worden. Eine Wiedereinsetzung in die Klagefrist sei nicht zu gewähren, denn eine Wiedereinsetzung sei nur dann zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden daran gehindert gewesen war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Hier sei dem steuerlichen Vertreter der Klägerin aber der Vorwurf des Organisationsverschuldens zu machen. Die Büroorganisation müsse so ausgestaltet sein, dass ein Fristversäumnis im Hinblick auf Rechtsbehelfsfristen nicht eintreten könne. Dies sei dann nicht der Fall, wenn es die Büroorganisation Berufsträgern nicht ermögliche, die Fristen zuverlässig zu überwachen. Die Fristen seien hier nicht zuverlässig überwacht worden. Auch über die Feiertage hätte eine Überwachung von Fristen sichergestellt werden müssen.
Hinweis
Die Entscheidung zeigt auf, welche Schwierigkeiten immer dann auftreten, wenn ein steuerlicher Berater eine Wiedereinsetzung in eine Frist beantragt. Er muss nämlich glaubhaft machen, dass er ohne Verschulden gehandelt hat. Hierbei stellt die Finanzrechtsprechung hohe - vielleicht zu hohe - Anforderungen. Sie führt nämlich regelmäßig aus, dass ein Berufsträger die "äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt hat walten lassen". Die Anforderungen, die deshalb im Einzelfall durch die Gerichte gefordert werden, sind dabei dann teils kaum zu erreichen. Allerdings liegt es nach dem Sachverhalt gleichwohl nahe, dass hier der steuerliche Vertreter tatsächlich ein Verschuldensvorwurf zu machen ist. Dass auch über die Feiertage der Weihnachtszeit und den Jahreswechsel ein zentraler E-Mail-Account in der Kanzlei auf eingegangene Mail kontrolliert wird, wird man schon zu erwarten haben. Eine Urlaubsvertretung ist immer sicherzustellen.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil v. 20.06.2024, 5 K 150/24 U