Leitsatz
1. Das wirtschaftliche Eigentum an einer Forderung verbleibt im Rahmen eines Asset-Backed-Securities-Modells beim Forderungsverkäufer, wenn er das Bonitätsrisiko (weiterhin) trägt. Dies ist der Fall, wenn der Forderungskäufer bei der Kaufpreisbemessung einen Risikoeinbehalt vornimmt, der den erwartbaren Forderungsausfall deutlich übersteigt, aber nach Maßgabe des tatsächlichen Forderungseingangs erstattungsfähig ist.
2. Ist das wirtschaftliche Eigentum nach dieser Maßgabe beim Forderungsverkäufer verblieben, stellen die an den Forderungskäufer geleisteten "Gebühren" Entgelte für Schulden i.S.d. § 8 Nr. 1 GewStG dar, wenn der Vorfinanzierungsbetrag dem Forderungsverkäufer für mindestens ein Jahr zur Verfügung steht.
Normenkette
§ 8 Nr. 1 GewStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine AG, ist Gesamtrechtsnachfolgerin einer genossenschaftlichen Warenzentrale (G). G schloss mit der Z, einer "Zweckgesellschaft" mit Sitz auf den Cayman Islands, einen Rahmenvertrag über den Ankauf von Forderungen. Einziger Geschäftszweck von Z ist der Ankauf der Forderungen von G. Sie refinanziert sich durch Ausgabe von Wertpapieren mit einer Laufzeit zwischen einem Tag und drei Monaten (Commercial Papers), als deren Sicherheit die abgetretenen Forderungen dienen ("Verbriefung"). Alleingesellschafterin der Z ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz auf Guernsey (British Channel Islands), Alleingesellschafterin dieser Ltd. ist eine Stiftung nach dem Recht von Guernsey.
Nach dem Inhalt des Rahmenvertrags verkaufte die G ihre gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus dem laufenden Geschäftsverkehr bis zu einem Maximalbetrag von 40 Mio. EUR revolvierend an Z und trat die Forderungen zugleich aufschiebend bedingt ab. Die durchschnittliche Zahlungsfrist der Forderungen betrug 32 Tage, die maximale Laufzeit der Einzelforderungen 90 Tage. Überwiegend handelte es sich um Forderungen aus Warenlieferungen an andere Warengenossenschaften; daneben bestanden auch Forderungen gegen externe Kunden, bei denen es sich jeweils um juristische Personen oder Kaufleute ("Nicht-Primärgenossenschaften") handelte. Forderungen gegen Großschuldner wurden nur bis zu einem Betrag von 1,4 Mio. EUR für die ersten drei Schuldner bzw. 1 Mio. EUR für die folgenden 20 Schuldner von dem Verkauf an Z erfasst; die übersteigenden Teile der Forderungen verblieben bei G. Der Vertrag hatte zunächst eine Laufzeit von fünf Jahren und sollte sich danach um jeweils ein Jahr verlängern, sofern keine Vertragspartei kündigte.
Als Kaufpreis wurde der Nennwert abzüglich eines Risikoabschlags für Forderungsausfälle von 4 % und eines Veritätsabschlags für Gewährleistungsrisiken von 3,5 % vereinbart. Der Kaufpreis war drei Bankgeschäftstage nach dem monatlich erfolgenden Transfer der jeweiligen Forderungsdaten fällig. Die Forderungsabtretungen sollten den Schuldnern nicht angezeigt werden. G konnte die Forderungen im Außenverhältnis grundsätzlich weiterhin im eigenen Namen einziehen; im Innenverhältnis übernahm G die Verwaltung und den Einzug der Forderungen für Z. Die anfallenden Kosten für die weitere Verwaltung und den Einzug der abgetretenen Forderungen hatte G zu tragen. Die eingezogenen Beträge waren von G an Z zu überweisen bzw. konnten mit dem Kaufpreis für weitere verkaufte Forderungen aufgerechnet werden.
Der Risikoabschlag für Forderungsausfälle war nach folgender Maßgabe von Z an G zurückzuzahlen: Soweit der später tatsächlich eingezogene Forderungsbetrag den Kaufpreis überstieg, gewährte Z der G eine Gutschrift auf einem internen Forderungsausfallkonto. Z konnte die gesamten tatsächlichen Forderungsausfälle mit dem Guthaben der G auf diesem Forderungsausfallkonto aufrechnen. Ein verbleibendes Guthaben der G, das das Mindestguthaben von 1,6 Mio. EUR überstieg, war monatlich als "Bonifikation 1" auszuzahlen. Nach vollständiger Abwicklung des Rahmenvertrags hatte Z das gesamte Guthaben auf dem Forderungsausfallkonto an G auszukehren. G übernahm keine Gewährleistung für die Bonität der Forderungen. Im Fall übermäßiger Forderungsausfälle hatte G – abgesehen von der Möglichkeit der Z, sich aus dem Guthaben auf dem Forderungsausfallkonto zu bedienen – keine weiteren Zahlungen an Z zu leisten. Z konnte den Vertrag u.a. fristlos kündigen, wenn die Forderungsausfälle in den letzten zwölf Monaten 4 % des Nominalbetrags der Forderungen überstiegen oder der Bestand des Forderungsausfallkontos auf weniger als 1 % des aktuellen Ankaufbetrags gesunken war oder die Gutschriften auf dem Forderungsausfallkonto in den letzten drei Monaten hinter den tatsächlichen Forderungsausfällen zurückgeblieben waren und es innerhalb von zehn Bankgeschäftstagen nicht zu einer Einigung über eine Anpassung des Risikoabschlags kam.
G sicherte im Vertrag zu, dass die tatsächliche Forderungsausfallquote sich für 1999 auf 0,1 % und für 2000 auf weniger als 0,1 % des Gesamtumsatzes belaufen hatte. Auf 20 Großkunden entfielen jeweils 1 bis 4 % des Gesamtforderungsvolumens; insgesamt beliefen sich...