Leitsatz
Weder reine Zinszahlungen noch Sparleistungen sind als "Tilgung eines Darlehens" i.S. des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG anzusehen.
Normenkette
§ 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 3, § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, § 92b Abs. 1 Satz 3 EStG, § 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 AltZertG
Sachverhalt
Im Rahmen der Überprüfung der wohnungswirtschaftlichen Verwendung reichte der Kläger u.a. Unterlagen zu einem Bausparvertrag und zu einem Darlehnsvertrag ein und teilte der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) mit, er habe das entnommene Kapital seines Altersvorsorgevermögens für die Zahlung der diesbezüglichen monatlichen Beträge verwendet. Das Darlehen wurde in den Jahren 2014 bis 2016 i.H.v. weniger als 1.000 EUR p.a. getilgt.
Die ZfA begründete den Rückforderungsanspruch damit, dass das ausgezahlte Altersvorsorgevermögen nicht zur Tilgung eines zur Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung aufgenommenen Darlehens verwendet worden sei. Der Kläger habe zu keiner Zeit die vom Gesetz geforderte Mindestsumme von 3.000 EUR zur Tilgung einer Darlehensschuld eingesetzt. Die Zinszahlungen und die Leistungen in den Bausparvertrag seien nicht zu berücksichtigen. Daher liege eine schädliche Verwendung i.S.v. § 93 EStG vor.
Das FG hob den Rückforderungsbescheid auf. Mangels gesetzlicher Definition sei die Tilgung eines Darlehens i.S.d. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht auf die Zurückführung der eigentlichen Darlehensschuld zu beschränken, sodass auch die Zinsanteile einzubeziehen seien (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.5.2020, 15 K 10227/19, Haufe-Index 15283544).
Entscheidung
Die Revision der ZfA war begründet. Das angefochtene Urteil wurde aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der BFH urteilte, dass weder reine Zinszahlungen noch Sparleistungen als "Tilgung" i.S.d. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angesehen werden könnten.
Hinweis
Nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann der Zulageberechtigte das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete und geförderte Kapital bis zum Beginn der Auszahlungsphase entweder unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung oder zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens verwenden, wenn das dafür entnommene Kapital mindestens 3.000 EUR beträgt. Durch die hierdurch ermöglichte Ablösung von Darlehen, die der Finanzierung des Erwerbs von Wohneigentum dienen, sollte – so die Gesetzesbegründung – ein Beitrag zum "mietfreien Wohnen im Alter" geleistet werden.
1. Die Tilgung eines Darlehens verlangt bereits vom Wortsinn und allgemeinen Sprachgebrauch ein zumindest teilweises Erlöschen des Rückzahlungsanspruchs des Gläubigers.
2. Zinszahlungen können einkommensteuerrechtlich nicht unter den Begriff der "Tilgung eines ... Darlehens" subsumiert werden, da auch im Recht der – im EStG geregelten – Altersvorsorgezulage sowohl auf den einkommensteuerrechtlichen Begriff der Anschaffungs- und Herstellungskosten als auch auf das einkommensteuerrechtliche Verständnis des Begriffs der Tilgung eines Darlehens abzustellen ist. Wird das Darlehen für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung i.S.d. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwendet, entspricht die Höhe der Darlehensschuld dem fremdfinanzierten Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Wohnung. Nicht Teil der Darlehensschuld sind hingegen die hierfür künftig zu zahlenden Zinsen.
3. Sparleistungen – insbesondere auf einen Bausparvertrag – können ebenfalls nicht als "Tilgung eines Darlehens" i.S.d. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angesehen werden.
4. Eine Ausnahme gilt lediglich im Zusammenhang mit einem zertifizierten Altersvorsorgevertrag gemäß § 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 AltZertG: In diesem Fall sieht § 82 Abs. 1 Satz 3 EStG vor, dass auch Sparbeiträge als fingierte Tilgungsleistungen (§ 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) denkbar sind. Hiervon sind aber die in § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Darlehen zu unterscheiden. Diese sind keine zertifizierten Altersvorsorgeverträge; vielmehr kann der Altersvorsorge-Eigenheimbetrag aus jeder Art von zertifiziertem Altersvorsorgevertrag entnommen und zur Tilgung jeder Art von Baudarlehen zur Anschaffung oder Herstellung einer begünstigten Wohnung verwendet werden.
5. Zusätzliche Voraussetzung in § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist, dass der entnommene Betrag "unmittelbar" zur Tilgung eines zum Zweck der Anschaffung oder Herstellung der Wohnung aufgenommenen Darlehens verwendet wird. Hierzu wird auf das nachfolgende Besprechungsurteil vom 16.2.2022, X R 26/20 (BFH/PR 2022, 273) verwiesen.
6. Im Streitfall konnte der BFH offenlassen, ob regelmäßig anfallende Annuitäten im Hinblick auf den Normzweck des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG überhaupt begünstigt sein können. Da die Erbringung ohnehin anfallender Annuitäten aus gefördertem und gebundenem Altersvorsorgevermögen dazu führt, dass der – ansonsten aus laufendem Einkommen zu erbringende – Annuitätsbetrag bei wirtschaftlicher Betrachtung eingespart wird und zur Finanzierung allgemeiner Lebenshaltungskosten verwendet werden kann, könnte...