Dr. Birger Brandt, Prof. Jürgen Brandt
Leitsatz
Wer auf fremdem Grund für eigene Rechnung ein eigengenutztes Einfamilienhaus errichtet, kann als wirtschaftlicher Eigentümer zur Inanspruchnahme der Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG berechtigt sein, wenn ihm für den Fall der Nutzungsbeendigung ein Anspruch auf Ersatz des Verkehrswerts des Gebäudes zusteht. Ein solcher Anspruch kann sich aus einer vertraglichen Vereinbarung oder aus dem Gesetz, insbesondere aus Bereicherungsrecht, ergeben.
Normenkette
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO , § 10e EStG
Sachverhalt
Der Kläger errichtete für eigene Rechnung auf dem Grundstück seiner Mutter ein Einfamilienhaus, das er nach Fertigstellung ab Oktober 1993 zu eigenen Wohnzwecken nutzte. Mit Vereinbarung vom 18.1.1993 überließ die Mutter Grundstück und Gebäude dem Kläger unentgeltlich zur ausschließlichen Nutzung. Dafür verzichtete er auf "seinen Aufwendungsersatzanspruch für die Errichtung des Gebäudes".
Die Nutzung wurde für 50 Jahre überlassen mit einer Verlängerungsoption für weitere 10 Jahre. Sofern nach Ablauf dieses Zeitraums keine weitere Vereinbarung über die Nutzung des Grundstücks zustande kommen sollte, hatte die Mutter bzw. hatten deren Erben dem Kläger den verbleibenden Restwert des Gebäudes zu vergüten. Ende 1995 übertrug die Mutter das Grundstück unentgeltlich auf den Kläger.
Entscheidung
Im Streitfall sei der Kläger wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes geworden. Nach der privatschriftlichen Vereinbarung habe ihm die alleinige Nutzung des Grundstücks und des von ihm für seine Wohnzwecke errichteten Gebäudes für mindestens 50 Jahre mit einer Verlängerungsoption für weitere 10 Jahre zugestanden. Nach Ablauf der vereinbarten Nutzungszeit hätte der Kläger nach dem Vertrag, sofern keine weitere Nutzungsvereinbarung zustande gekommen wäre, einen Anspruch auf Vergütung des "verbliebenen Restwerts" des Gebäudes und damit auf den bei Ablauf der Nutzungszeit bestehenden Verkehrswert des Gebäudes gehabt.
Dies hätte auch bei einer vorzeitigen Beendigung der Nutzung gegolten, unabhängig davon, dass der Kläger in der Vereinbarung auf seinen Aufwendungsersatzanspruch verzichtet habe, weil dieser Verzicht nur für die Dauer der Nutzungsüberlassung gegolten habe und somit wirtschaftlich einer Stundung des Entschädigungsanspruchs gleich stehe.
Ungeachtet der vereinbarten langjährigen Nutzungsberechtigung legten die tatsächlichen Umstände und der Geschehensablauf (Eigentumserwerb im Jahr 1995) die Annahme nahe, dass der Kläger und seine Mutter zumindest alternativ die Übereignung des Grundstücks vorgesehen hätten. Das als typisch zu unterstellende Interesse des Klägers sei darauf gerichtet gewesen, den von ihm selbst geschaffenen Wert einschließlich einer Wertsteigerung für sich und seine Erben zu sichern.
Hätte die Mutter dem Kläger das Eigentum an dem Grundstück entgegen seiner Erwartung nicht übertragen und wäre die Nutzung vor Ablauf der vereinbarten Nutzungszeit beendet worden, hätte der Kläger gegen den jeweiligen Grundstückseigentümer einen Bereicherungsanspruch auf Ersatz des Verkehrswerts des Gebäudes gehabt. Die Mutter bzw. deren Rechtsnachfolger hätten daher zu keinem Zeitpunkt wirtschaftlich über das Gebäude verfügen können. Substanz und Ertrag des Einfamilienhauses hätten vielmehr auf Dauer wirtschaftlich dem Kläger zugestanden.
Hinweis
Auch der wirtschaftliche Eigentümer kann die Wohneigentumsförderung nach dem EigzulG oder – wie im Streitfall – nach § 10e EStG für ein Gebäude geltend machen, das er auf einem fremden Grundstück errichtet hat. Voraussetzung ist, dass ihm gegenüber nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers besteht oder dessen Anspruch keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat.
Dies nahm der BFH bislang (nur) an, wenn ihm allein Substanz und Ertrag des Gebäudes für dessen voraussichtliche Nutzungsdauer zustanden (BFH, Urteil vom 27.11.1996, X R 92/92, BStBl II 1998, 97). Nunmehr kann wirtschaftliches Eigentum auch bei möglichem Ende der Nutzungsbefugnis vor Ablauf der Nutzungsdauer vorliegen, wenn der Errichtende für den Fall der Nutzungsbeendigung Anspruch auf Ersatz des vollen Verkehrswerts des Gebäudes hat. Dieser Anspruch kann sich aus einer Vereinbarung oder aus dem Gesetz, insbesondere aus §§ 951, 812 BGB ergeben. Wichtig ist, dass tatsächlich kein geringerer Wert als der Verkehrswert als Bemessungsgrundlage für den Entschädigungsanspruch im Fall der Nutzungsbeendigung vereinbart wird, weil dies der Annahme wirtschaftlichen Eigenums entgegenstehen würde. Es darf daher kein geringerer als der Verkehrswert als Entschädigungsanspruch bei Nutzungsbeendigung vereinbart werden, wenn man als wirtschaftlicher Eigentümer die steuerliche Wohneigentumsförderung in Anspruch nehmen will.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.7.2001, X R 23/99