Dr. Birger Brandt, Prof. Jürgen Brandt
Leitsatz
Die Überlassung einer Wohnung ist nicht "voll unentgeltlich" i.S.d. § 10h Satz 2 Nr. 4 EStG, wenn der nutzungsberechtigte Angehörige dem Eigentümer für den Ausbau der Wohnung ein zinsloses Darlehen gewährt.
Normenkette
§ 10h EStG
Sachverhalt
Die Kläger bauten das Dachgeschoss ihres Hauses zu einer Wohnung aus und überließen diese ihrer Tochter zu Wohnzwecken. Zur Finanzierung setzten sie u.a. ein Darlehen ein, das die Tochter dem Kläger zinslos gewährt hatte.
Das FA lehnte den mit der Einkommensteuererklärung gestellten Antrag auf Berücksichtigung des Abzugsbetrags nach § 10h EStG wegen fehlender Unentgeltlichkeit der Wohnungsüberlassung ab. Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 10h Abs. 2 Nr. 4 EStG kann eine Wohnungsüberlassung – so der BFH im Anschluss an Schmidt/Drenseck (EStG, 20. Aufl., § 10h Rdnr. 8) – nur "voll unentgeltlich" sein, wenn keinerlei Entgelt gezahlt wird. Im Streitfall sei das zinslose Darlehen der Tochter eine förderungsschädliche Gegenleistung, weil sie in sachlichem Zusammenhang mit der Wohnungsüberlassung gewährt worden sei.
Zum einen bestehe tatsächlich zwischen Wohnungsüberlassung und Darlehensgewährung ein unmittelbarer zeitlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang, auch wenn die Kläger und ihre Tochter die spätere Wohnungsüberlassung und deren Umfang nicht ausdrücklich in ihre Vereinbarungen einbezogen hätten. Denn das zinslose Darlehen sei aus der Sicht der Kläger wie auch der Tochter nach dem Gesamtbild der Verhältnisse – insbesondere im Hinblick auf ihren Finanzierungsbedarf, die Höhe der Darlehenssumme und die Ausrichtung der Baumaßnahme auf die Wohnbedürfnisse der Tochter – ausschließlich zur Finanzierung des Wohnungsausbaus bestimmt gewesen. Schon aufgrund des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs zwischen Darlehensgewährung und Baumaßnahme sei davon auszugehen, dass die Darlehensgewährung durch die Wohnungsüberlassung veranlasst gewesen sei.
Zum anderen begründe die Zuwendung des zinslosen Darlehens im Umfang der Zinsersparnis bei der Finanzierung des Dachgeschossausbaus einen wirtschaftlichen Vorteil der Kläger, der der anschließenden Wohnungsüberlassung an die Tochter nach Wortlaut und Zweck der Regelung den nach § 10h Satz 2 Nr. 4 EStG erforderlichen Charakter einer "voll unentgeltlichen" Leistung nehme. Denn der Gesetzgeber habe die mit § 10h EStG bezweckte Ausschöpfung der Wohnungsreserven im privaten Wohnungsbereich und das Zusammenleben der Generationen unter einem Dach (vgl. BTDrucks. 12/1506, S. 171) ausdrücklich nur unter der Voraussetzung einer "voll unentgeltlichen" Wohnungsüberlassung an Angehörige fördern wollen.
Hinweis
Den Abzugsbetrag nach § 10h EStG kann geltend machen, wer eine Wohnung in seinem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Haus herstellt und die neu geschaffene Wohnung einem Angehörigen auf Dauer voll unentgeltlich zu eigenen Wohnzwecken überlässt. Danach schließt jede Vorteilsgewährung des Wohnungsnutzers für die Überlassung der Wohnung die Förderung nach dieser Vorschrift aus.
Die Gewährung eines zinslosen Darlehens ist ein solcher Vorteil, der nur dann nicht förderungsschädlich ist, wenn zwischen der Gewähr dieses Vorteils und der Wohnungsüberlassung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Zusammenhang besteht. Dieser Zusammenhang wird in der Regel bei bauzeitnaher Gewährung des Darlehens und dessen Verwendung zur Baufinanzierung kaum zu widerlegen sein.
Ist eine Mitfinanzierung des Angehörigen erforderlich, können Sie den Anspruch auf Förderung nach § 10h EStG nur dadurch erhalten, dass das Darlehen des Angehörigen zu marktüblichen Bedingungen gegeben und tatsächlich wie unter fremden Dritten abgewickelt wird.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.12.2000, X R 69/97