Die obigen Ausführungen und das unterschiedlich gelöste Bespiel 2 verdeutlichen, dass der Gesetzgeber mit § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 lit. d ErbStG zwar deutlich den durchaus sinnhaften Willen zur Begünstigung von Wohnungsunternehmen i.S.d. §§ 13a, 13b ErbStG geäußert hat. M.E. ist dieser Wille jedoch aufgrund eines überschießenden Verweises auf § 14 AO hinsichtlich des Vorliegens eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs in der Anwendung sehr schwierig und dem Begünstigungswillen eher entgegenstehend. Zudem erscheint es unsystematisch hinsichtlich der Ausnahme für Wohnungsunternehmen in Form von § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 lit. d ErbStG nicht nur auf die Tätigkeit und damit dem reinen Hauptzweck (ähnlich der anderer Ausnahmeregelungen des § 13b Abs. 4 ErbStG) abzustellen.
Darüber hinaus hat sich herausgestellt, dass dieser überschießende Verweis des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 lit. d ErbStG auf § 14 AO zu einer sehr engen (wirtschaftlich betrachtet unrealistischen) Auslegung des BFH geführt hat, der dem sehr eindeutigen Wortlaut des § 14 AO folgt. Da die Finanzverwaltung der Auslegung des BFH nicht folgt und mit R E 13b.17 Abs. 3 ErbStR 2019 den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb auf Basis von definierten Indizien einer Einzelfallprüfung unterzieht und bei mehr als 300 Wohnungen regelmäßig annimmt, ist hier eindeutig eine Korrektur des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 lit. d ErbStG durch den Gesetzgeber notwendig, um Rechtssicherheit und -gerechtigkeit zu gewährleisten. Sollte im Fall des Ausbleibens einer Korrektur die R E 13b.17 Abs. 3 ErbStR 2019 dahingehend geändert werden, dass die 300-Wohneinheiten-Grenze aufgehoben wird, hätte das vor dem Hintergrund zukünftiger Übertragungen erhebliche Auswirkungen auf den deutschen Immobilienmarkt. Die dann anfallende Erbschaft- oder Schenkungsteuer könnte mangels Befreiung und hinsichtlich ihrer nicht zu unterschätzenden Höhe mangels Liquidität regelmäßig aus dem (Teil-)Verkauf der zu übertragenden Grundstücke erfolgen.
Beraterhinweis Die Finanzverwaltung vertritt mit R E 13b.17 Abs. 3 ErbStR 2019 eine dem Steuerpflichtigen vorteilhaftere Auffassung als die derzeitig bestehende Rspr. Entsprechend sollten allein aus der Praktikabilität heraus diese Voraussetzungen der Finanzverwaltung insb. in ihrer Erfüllung geprüft werden und durch die Beantragung einer verbindlichen Auskunft auch ggü. der Finanzverwaltung abgesichert werden. Dies gilt insb. für den Fall, dass die jetzt bestehenden Richtlinienstellen zukünftig verändert werden, weitere benachteiligende Rspr. ergeht oder der § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 lit. d ErbStG nachteilig verändert wird.
Vor dem Hintergrund der durchaus praktikablen Lösung der Finanzverwaltung erscheint es zudem hinsichtlich einer steuerartübergreifenden Beratung besonders hilfreich, wenn neben einer Gestaltung zu einem erbschaft- und schenkungsteuerlichen begünstigten Wohnungsunternehmen die erweiterte gewerbesteuerliche Grundstückskürzung möglich ist und ähnliche Rahmenbedingungen für die Anwendung beider Begünstigungen gegeben sind. Diese Fragestellungen hin zur Erreichung dieser Kombination ist Gegenstand des zweiten Beitrags dieser Reihe.
Service: BFH v. 24.10.2017 – II R 44/15, ErbStB 2018, 103; FG Münster v. 25.6.2020 – 3 K 13/20 F, ErbStB 2020, 252; gleich lautende Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder v. 23.4.2018 – S 3821, ErbStB 2018, 205; Juja, Eine Abgrenzung zwischen sonstigem Verwaltungsvermögen, Finanzmitteln und Produktivvermögen – Teil I, ErbStB 2022, 112 abrufbar unter erbschaftsteuerrecht.de