Leitsatz
Die Erbschaftsteuer für betagte Ansprüche, die zu einem bestimmten (feststehenden) Zeitpunkt fällig werden, entsteht dem Regelfall des § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entsprechend bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers; solche Ansprüche sind ggf. mit ihrem nach § 12 Abs. 3 BewG abgezinsten Wert anzusetzen. Die Erbschaftsteuer für diejenigen betagten Ansprüche, bei denen der Zeitpunkt des Eintritts des zur Fälligkeit führenden Ereignisses unbestimmt ist, entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG erst mit dem Eintritt des Ereignisses.
Normenkette
§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG , § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG , § 11 Abs. 1 VVG
Sachverhalt
Die Klägerin war Bezugsberechtigte aus mehreren vom Ehemann abgeschlossenen Lebensversicherungen. Der Ehemann war im September 1995 unter ungeklärten Umständen gestorben. Die Versicherung zahlte noch im Jahr 1995 einen Betrag von 122 247 DM an die Klägerin aus. Den Restbetrag von 620 606 DM zahlte sie erst im Februar 1996 aus, nachdem sie Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft genommen und die Prüfung ihrer Leistungspflicht abgeschlossen hatte.
Während das FA meinte, die Erbschaftsteuer auf die gesamten Versicherungsleistungen sei bereits 1995 entstanden und daher noch das bis Ende 1995 geltende ErbStG anwendbar, waren die Klägerin und mit ihr das FG der Ansicht, bezüglich der im Februar 1996 ausgezahlten Versicherungsleistung sei die Steuer erst im Jahr 1996 entstanden und daher insoweit das ErbStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 anzuwenden. Dem schloss sich auch der BFH an.
Entscheidung
Die Klägerin hat einen Erwerb von Todes wegen gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zu versteuern. Die Versicherungsleistungen waren gem. § 11 Abs. 1 VVG mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung nötigen Erhebungen fällig. Vorher konnten lediglich Abschlagszahlungen geleistet werden.
Die Entstehung der Steuer auf die demnach erst 1996 fällig gewordene Restzahlung richtet sich nach § 9 Ans. 1 Nr. 1 Buchstabe a ErbStG. Die Klägerin hat betagte Ansprüche i.S. dieser Vorschrift erworben, weil die Fälligkeit vom Eintritt eines Ereignisses – nämlich dem Abschluss der Prüfung der Leistungspflicht zugunsten der Klägerin – abhing und der Eintritt dieses Ereignisses ungewiss war. Daher ist das ErbStG in der neuen Fassung anzuwenden.
Hinweis
Zivilrechtlich liegt eine Betagung vor, wenn eine Forderung bereits entstanden und lediglich ihre Fälligkeit hinausgeschoben ist. Zur Ermittlung des Zeitpunkts der Entstehung der Erbschaftsteuer sind jedoch zwei Arten von Betagung zu unterscheiden:
- Werden von Todes wegen Ansprüche erworben, die zu einem bestimmten (feststehenden) Zeitpunkt fällig werden, richtet sich die Entstehung der Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Maßgebend ist der Zeitpunkt des Todes des Erblassers.
- Werden von Todes wegen Ansprüche erworben, bei denen die Fälligkeit vom ungewissen Eintritt eines bestimmten Ereignisses abhängt, richtet sich die Entstehung der Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG. Maßgebend ist der Zeitpunkt des Eintritts des Ereignisses. Nur diese Art betagter Ansprüche ist mit aufschiebend bedingten oder befristeten Ansprüchen vergleichbar.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 27.8.2003, II R 58/01