Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Gezahlte Kirchensteuern können unabhängig davon, ob im Zahlungsjahr aufgrund der Abgeltungsteuer keine Einkommensteuer mehr anfällt, erst in dem Jahr als Sonderausgaben berücksichtigt werden, in dem sie von dem Steuerpflichtigen tatsächlich gezahlt worden sind. Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige überwiegend Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt und infolge der Einführung der Abgeltungssteuer ab dem Veranlagungszeitraum 2009 vermutlich keine Einkommensteuer mehr zahlen muss, weil die auf die Kapitaleinkünfte entfallende Steuer gesondert erhoben wird (§§ 32d, 51a EStG).
Sachverhalt
Im Streitfall ging es um die Frage, ob bei der Einkommensbesteuerung des Steuerpflichtigen für das Jahr 2008 im Jahr 2009 vom Finanzamt auf offene Kirchensteuer 2008 umgebuchte Zinsabschläge von Kreditinstituten betreffend das Jahr 2008 steuermindernd als Sonderausgaben i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu berücksichtigen sind. Mit Einkommensteuerbescheid 2008 v. 30.4.2009 wurde u. a. die evangelische Kirchensteuer auf 1.342,62 EUR festgesetzt. Gegen diesen Bescheid legte der Steuerpflichtige Einspruch ein und begründete diesen mit dem Begehren, die vom Finanzamt festgesetzte evangelische Kirchensteuer 2008 als zusätzliche Kirchensteuerzahlung des Jahres 2008 i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG steuermindernd bei der Einkommensteuerveranlagung 2008 zu berücksichtigen. Angesichts der jedes Jahr anfallenden hohen Zinsabschläge, die die Kreditinstitute im Hinblick auf seine Einkünfte aus Kapitalvermögen vornehmen würden, habe er in der streitgegenständlichen Höhe bereits im Jahr 2008 die notwendige Kirchensteuerzahlung für den VZ 2008 tatsächlich erbracht. Mit dem Einbehalt der Zinsabschläge durch die Kreditinstitute sei die im Jahr 2008 bereits entstandene evangelische Kirchensteuer 2008 bei ihm i. S. v. § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG"abgeflossen". Im Klageverfahren machte er im Wesentlichen geltend, dass im vorliegenden Fall eine Gesetzeslücke vorliege, die durch Auslegung zu seinen Gunsten zu schließen sei. Eine Berücksichtigung des streitgegenständlichen Betrags i. R. d. Einkommensteuerveranlagung 2009 sei nicht möglich, weil seine Kapitaleinkünfte ab VZ 2009 dem Abgeltungsverfahren unterliegen würden und die bei ihm festzusetzende Einkommensteuer daher ohnehin 0,00 EUR betrage. Es sei aber nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen, gezahlte Kirchensteuer 2008 nicht als Sonderausgabe zu berücksichtigen.
Entscheidung
Das FG wies die Klage ab und entschied, dass gezahlte Kirchensteuern erst in dem Jahr als Sonderausgaben i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG berücksichtigt werden können, in dem sie von dem Steuerpflichtigen tatsächlich gezahlt worden sind (§ 11 Abs. 2 EStG). Gezahlt sind Kirchensteuern in dem Kalenderjahr, in dem der Steuerpflichtige bei der Finanzkasse Einzahlungen auf diese Steuern leistet, oder in dem Jahr, in dem z. B. der Arbeitgeber vom Arbeitslohn des Arbeitnehmers entsprechende Kirchensteuerbeträge einbehält. Bucht die Finanzkasse überzahlte Steuern anderer Art, z. B. Überzahlungen bei der Einkommensteuer, auf fällige Kirchensteuer um, so gilt die Kirchensteuer erst als in dem Jahr gezahlt, in dem die Finanzkasse diese Umbuchung vornimmt. Im Streitfall geschah dies erst am 30.4.2009. Eine hiervon abweichende zeitliche Zuordnung hält das FG auch nicht deshalb für geboten, weil der Steuerpflichtige mit Einführung der Abgeltungssteuer ab dem Veranlagungszeitraum 2009 vermutlich keine Einkommensteuer mehr entrichten muss, weil seine übrigen Einkünfte auch künftig wohl sehr gering sein werden. Wenngleich die im Jahr 2009 durch Umbuchung geleistete Kirchensteuernachzahlung für 2008 aufgrund der Abgeltungssteuer danach zu keiner Steuerminderung mehr führt, ist die gesetzliche Neuregelung verfassungsgemäß. Es ist nämlich von Gesetzes wegen nicht prinzipiell ausgeschlossen, dass sich die streitgegenständliche Kirchensteuerzahlung steuermindernd im VZ 2009 auswirkt, sondern nur aufgrund der freien Entscheidung des Steuerpflichtigen, seine Kapitaleinkünfte ausschließlich der Abgeltungssteuer zu unterwerfen. Stattdessen hätte er auch eine Einbeziehung der Kapitaleinkünfte in die Einkommensteuerveranlagung 2009 wählen können (§ 32 d Abs. 6 EStG). In diesem Fall wäre ebenfalls der besondere Einkommensteuersatz für ansonsten der Abgeltungssteuer unterliegende Kapitaleinkünfte für diesen Teil seiner steuerpflichtigen Einkünfte anwendbar gewesen.
Hinweis
Die Entscheidung des FG berücksichtigt zutreffend die sich aus dem Abflussprinzip (§ 11 Abs. 2 EStG) ergebende Rechtsfolge. Vergleichbare Rechtsfolgen können sich auch bei Anwendung des § 10 d EStG (Verlustabzug) ergeben (BFH, Beschluss v. 9.4.2010, IX B 191/09, BFH/NV 2010 S. 1270) sowie bei aus dem aktiven Beschäftigungsverhältnis Ausscheidenden, die ab dem Folgejahr aufgrund ausschließlich bezogener Renteneinkünfte nicht mehr einkommensteuerpflichtig sind.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.02.2013, 9 K 9216/09