Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderausgabenabzug für durch Umbuchung gezahlte Kirchensteuer ungeachtet der Einführung der Abgeltungssteuer erst im Jahr der Umbuchung
Leitsatz (redaktionell)
1. Gezahlte Kirchensteuern können erst in dem Jahr als Sonderausgaben berücksichtigt werden, in dem sie von dem Steuerpflichtigen tatsächlich gezahlt worden sind. Gezahlt sind Kirchensteuern in dem Kalenderjahr, in dem der Steuerpflichtige bei der Finanzkasse Einzahlungen auf diese Steuern leistet, oder in dem Jahr, in dem beispielsweise der Arbeitgeber vom Arbeitslohn des Arbeitnehmers entsprechende Kirchensteuerbeträge einbehält.
2. Bucht die Finanzkasse überzahlte Steuern anderer Art, z. B. Überzahlungen bei der Einkommensteuer, auf fällige Kirchensteuer um, so gilt die Kirchensteuer erst als in dem Jahr gezahlt, in dem die Finanzkasse diese Umbuchung vornimmt.
3. Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige überwiegend Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt und infolge der Einführung der Abgeltungssteuer ab dem Veranlagungszeitraum 2009 vermutlich keine Einkommensteuer mehr zahlen muss, weil die auf die Kapitaleinkünfte entfallende Steuer gesondert erhoben wird (§§ 32d, 51a EStG); der Steuerpflichtige hat in diesem Fall auch von Verfassungs wegen keinen Anspruch darauf, dass die im Jahr 2009 durch Umbuchung bezahlte, auf den Veranlagungszeitraum 2008 entfallende Kirchensteuer mangels einkommensteuerlicher Auswirkung im Veranlagungszeitraum 2009 bereits im Veranlagungszeitraum 2008 als Sonderausgabe abgezogen wird.
Normenkette
EStG 2007 § 10 Abs. 1 Nr. 4, § 11 Abs. 2 S. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob bei der Einkommensbesteuerung des Klägers für das Jahr 2008 im Jahr 2009 vom Beklagten auf offene Kirchensteuer 2008 umgebuchte Zinsabschläge von Kreditinstituten betr. das Jahr 2008 steuermindernd als Sonderausgaben i. S. von § 10 Abs. 1 Nr. 4 Einkommensteuergesetz – EStG – zu berücksichtigen sind.
Der 1934 geborene ledige Kläger erzielte im Streitjahr 2008 negative Einkünfte aus seiner selbständigen Tätigkeit als Steuerberater in Höhe von 530,00 EUR, Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 56 942,00 EUR (Einkünfte: 54 968 EUR) und aus dem Bezug von zwei Leibrenten in Höhe von brutto insgesamt 17 438,00 EUR nach Abzug der steuerfreien Anteile sowie des Werbungskosten-Pauschbetrags in Höhe von 102 EUR sog. sonstige Einkünfte i. S. von § 22 EStG in Höhe von 7 532,00 EUR.
Der Beklagte folgte den Angaben in der Einkommensteuererklärung des Klägers für das Streitjahr 2008 und setzte die Einkommensteuer 2008 mit Bescheid vom 30. April 2009 auf 14 410,00 EUR (Solidaritätszuschlag: 792,55 EUR) fest. In seiner Einkommensteuererklärung hatte der Kläger u. a. „gezahlte Kirchensteuer” in Höhe von 1 143,00 EUR als Sonderausgabe steuermindernd geltend gemacht. Mit der Einkommensteuerfestsetzung ging auch eine Festsetzung von ev. Kirchensteuer in Höhe von 1 342,62 EUR einher.
Im Abrechnungsteil des o. g. Bescheids vom 30. April 2009 rechnete der Beklagte auf die festgesetzte Einkommensteuer folgende Beträge an:
Kapitalertragsteuer |
1 847,00 EUR |
Zinsabschlag |
14 841,00 EUR |
Auf den festgesetzten Solidaritätszuschlag in Höhe von 792,55 EUR rechnete der Beklagte Kapitalertragsteuer in Höhe von 917,56 EUR an.
Es ergab sich ein Guthaben für den Kläger in Höhe von 2 278,00 EUR Einkommensteuer zuzüglich 125,01 EUR Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer. Einen Teil des Guthabens betr. Einkommensteuer 2008 verrechnete der Beklagte im selben Bescheid sodann mit der festgesetzten ev. Kirchensteuer und überwies das restliche Guthaben betr. Einkommensteuer 2008 sowie Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2008 in Höhe von insgesamt 1 060,39 EUR auf ein vom Kläger in seiner Steuererklärung benanntes Konto.
Gegen den Bescheid vom 30. April 2009 legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein und begründete diesen mit dem Begehren, die vom Beklagten festgesetzte ev. Kirchensteuer 2008 als zusätzliche Kirchensteuerzahlung des Jahres 2008 i. S. von § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG steuermindernd bei der Einkommensteuerveranlagung 2008 zu berücksichtigen. Angesichts der jedes Jahr anfallenden hohen Zinsabschläge, die die Kreditinstitute im Hinblick auf seine, des Klägers, Einkünfte aus Kapitalvermögen vornehmen würde, habe er in der streitgegenständlichen Höhe bereits im Jahr 2008 die notwendige Kirchensteuerzahlung für den VZ 2008 tatsächlich erbracht. Mit dem Einbehalt der Zinsabschläge durch die Kreditinstitute sei die im Jahr 2008 bereits entstandene ev. Kirchensteuer 2008 bei ihm i. S. von § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG „abgeflossen”.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2009 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass eine „Zahlung” der streitgegenständlichen Kirchensteuer i. S. von § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG erst im Zeitpunkt der Verrechnungserklärung des Beklagten, also erst am 30. April 2009, erfolgt sei. ...