Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Der dem Grundschuldgläubiger aus dem Versteigerungserlös zufließende Betrag ist nicht steuerbar, soweit er auf eine Nebenleistung i.S.v. § 1191 Abs. 2 BGB entfällt.
2. Zinsen aus einer Grundschuld sind steuerlich demjenigen zuzurechnen, der im Zeitpunkt des Zuschlagsbeschlusses aus der Grundschuld berechtigt ist und bei dem deshalb erstmals der Anspruch auf Ersatz des Wertes der Grundschuld aus dem Versteigerungserlös entsteht.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (1999); § 3 Abs. 1, § 38 AO, § 101, § 1191 Abs. 2, § 1192 Abs. 1a Satz 1 BGB, § 92 Abs. 1 ZVG
Sachverhalt
Der Kläger erwarb von einem Kreditinstitut die fälligen Rückzahlungs- und Zinsansprüche aus einem notleidend gewordenen Immobiliendarlehen. Mit veräußert und mit abgetreten wurde die zur Sicherung bestellte Grundschuld. Der Schuldner hatte sich, ohne zu zahlen, mit unbekanntem Aufenthalt in das Ausland abgesetzt. Auf Betreiben des Klägers wurde das Grundstück versteigert. Aus dem Versteigerungserlös vereinnahmte der Kläger Zahlungen in Höhe des Nominalbetrags der Grundschuld (u.a. Hauptforderung, 5 % Nebenleistungen und 18 % Zinsen für die gesamte Laufzeit).
Das FA erfasste die Nebenleistungen und Zinsen insgesamt als Einnahmen aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Mit seiner Klage begehrte der Kläger, ihm die Zinsen nur zeitanteilig ab dem Zeitpunkt des Erwerbs der Grundschuld zuzurechnen.
Das FG wies die Klage ab (Niedersächsisches FG, Urteil vom 29.4.2009, 9 K 242/06, Haufe-Index 2187125, EFG 2009, 1379).
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage teilweise statt. Die vom Kläger vereinnahmten Nebenleistungen aus der Grundschuld in Höhe von 5 % der Hauptforderung (§ 1191 Abs. 2 BGB) seien nicht steuerbar. Sie seien weder Zinsen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG noch besonderes Entgelt oder Vorteil i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Allerdings habe das FG im Ergebnis zu Recht dem Kläger die Zinsen aus der Grundschuld auch insoweit zugerechnet, als sie auf Zeiten vor Abtretung der Grundschuld an ihn entfielen.
Hinweis
1. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören gem. § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG u. a. die Zinsen aus Grundschulden. Ergänzt wird die Vorschrift durch § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Danach sind (klarstellend) auch besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden, als Einnahmen aus Kapitalvermögen steuerbar.
2. Über die Frage, was der Begriff "Zinsen aus Grundschulden" umfasst, lag bisher noch keinerlei Rechtsprechung des BFH vor. Nunmehr ist dieser Begriff teilweise geklärt:
a) |
Wenn der Inhaber einer Grundschuld durch Versteigerung nur das abstrakte (§ 1192 Abs. 1 BGB) dingliche Recht an dem Grundstück realisiert, ist jedenfalls § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG einschlägig. Offengeblieben ist, ob dies auch für Sicherungsgrundschulden gilt oder ob für diese § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG einschlägig ist. |
b) |
Der auf eine Nebenleistung i.S. v. § 1191 Abs. 2 BGB entfallende Betrag ist kein Entgelt für Kapitalüberlassung und deshalb nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG steuerbar. Dies gilt auch, wenn die Grundschuld ursprünglich Sicherungszwecken gedient hat. Auch in diesem Fall ist die Nebenleistung aus der Grundschuld kein Entgelt für die Kapitalüberlassung. |
3.Für welchen Zeitraum sind die Zinsen aus einer durch Versteigerung des Grundstücks realisierten Grundschuld dem Erwerber der Grundschuld zuzurechnen?
a) |
Die Zurechnung nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen führt zu dem Ergebnis, dass das bloße Innehaben einer verzinslichen Grundschuld im Hinblick auf die Zinsen noch keinen Besteuerungstatbestand verwirklicht. |
b) |
Die Verzinsung einer Grundschuld führt, anders als die Verzinsung einer Forderung, nicht zur kontinuierlichen Entstehung einer Zinsforderung, sondern sie bewirkt lediglich eine betragsmäßige Dynamisierung des dinglichen Rechts. In der Zwangsversteigerung erlischt mit dem Zuschlag das dingliche Recht. An seine Stelle tritt (erstmals) der Anspruch auf Ersatz des Wertes aus dem Versteigerungserlös, auch soweit er die Zinsen aus dem dinglichen Recht umfasst. Erst die Entstehung dieses Anspruchs rechtfertigt eine persönliche steuerliche Zuordnung der (gesamten) Zinsen aus der Grundschuld. Es kommt somit darauf an, wem die Grundschuld in diesem Zeitpunkt zusteht. |
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.4.2012 – VIII R 28/09