Johannes Hoffmann, Dr. Mirko Wolfgang Brill
In der Praxis kümmern sich nur wenige, meist große, Versender um sog. Zollversandverfahren; dies wird meist den Speditionen oder Frachtführern überlassen.
Zollversandverfahren selbst beantragen
Für viele Unternehmen kann es dennoch ratsam sein, die Verfahren selbst zu beantragen und zu kontrollieren. Dies ist zum einen eine Kostenfrage, zum anderen eine Frage der Kontrolle.
4.3.1 Gemeinschaftliches bzw. gemeinsames Versandverfahren
Das gemeinschaftliche (EU) bzw. gemeinsame (mit EFTA) Versandverfahren (gVV) ist innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums und der Schweiz anwendbar. Man unterscheidet zwischen 2 Versandverfahren:
- dem internen Versandverfahren T2 für Unionsware (es wird angewendet, wenn Unionsware über ein Drittland befördert wird) und
- dem externen Versandverfahren T1 für Nichtunionsware (es wird angewendet, wenn Nicht-Unionsware zwischen 2 Orten der Union bzw. des EWR befördert wird).
Sie sind für jeden Verkehrsträger anwendbar.
Verkäufer oder Spediteur eröffnen das Versandverfahren
Die Eröffnung eines gemeinschaftlichen bzw. gemeinsamen Versandverfahrens erfolgt durch den Hauptverpflichteten, dieser haftet
- für die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens und
- für ggf. anfallende Abgaben bei einer nicht ordnungsgemäßen Durchführung.
Das kann sowohl der Verkäufer als auch ein Spediteur sein. Inzwischen können diese Verfahren nur noch elektronisch über das ATLAS-System beantragt werden, entweder über ein entsprechendes Programm oder über das Internet auf der Seite www.Internetzollanmeldung.de. Der Hauptverpflichtete muss – sofern er kein zuverlässiger Wirtschaftsbeteiligter ist – eine Sicherheit für eventuell anfallende Abgaben leisten. Das geschieht meist mit einer Gesamtbürgschaft; Einzelbürgschaften und Pauschalbürgschaften sind aber auch möglich.
Das T2-Verfahren für Unionsware hat an Bedeutung verloren. Es wird nur noch angewendet, wenn der Transport von der EU in die EU über einen Drittstaat, z. B. von Deutschland über die Schweiz nach Italien, oder von der EU in einen EFTA-Staat, z. B. von Deutschland nach Norwegen, erfolgt. Umgekehrt wird norwegische Ware mit einem T1-Verfahren nach Deutschland transportiert, weil die Ware ja keine Unionsware der EU ist – dazu wird sie erst nach der Abfertigung zum freien Verkehr. Damit die Ware in Norwegen oder in Deutschland zollfrei ist, muss bei der Abfertigung eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 vorliegen.
Ablauf des Versandverfahrens
Der Hauptverpflichtete beantragt das Verfahren bei seiner Versandzollstelle auf elektronischem Weg mithilfe seiner Software oder über Internetzollanmeldung. Durch die Vergabe einer MRN und eine Nämlichkeitssicherung (i. d. R. Plomben, Siegel, Fotos, angestempelte Rechnungen u. a.) wird das Verfahren eröffnet. Die Ware geht mit einem PDF-Ausdruck des T-Papiers auf die Reise. Erfolgt der Transport über Drittstaaten, wird bei jedem Grenzübertritt die MRN erfasst, um ggf. feststellen zu können, wo die Ware verschwunden ist. Das Verfahren wird dann an der vorgesehenen und im T-Dokument festgehaltenen Bestimmungszollstelle gestellt und das Versandverfahren beendet. In der Regel muss das Verfahren innerhalb einer Woche nach Antragstellung beendet sein. Kürzere Fristen können vorgeschrieben werden, Verlängerungen sind ebenfalls möglich. Eine eventuell geleistete Sicherheit wird nach der Beendigung des Verfahrens wieder frei.
Ein anschließendes weiteres Zollverfahren muss innerhalb einer Frist von 20 Tagen erfolgen.
Erleichterungen durch zugelassene Versender und Empfänger
In diesem Verfahren gibt es eine Reihe von Erleichterungen. Zu den wichtigsten Erleichterungen gehört die Ernennung von zugelassenen Versendern und zugelassenen Empfängern. Der zugelassene Versender darf das Verfahren ohne Mitwirkung der Zollbehörden eröffnen und notwendige Nämlichkeitssicherungen, z. B. zugelassene Plomben wie Tyden Seals und Mini Break Away Seals, an der Ware anbringen. Auf der anderen Seite darf der zugelassene Empfänger das Verfahren ohne direkte Mitwirkung der Zollbehörden beenden und eventuell angebrachte Nämlichkeitssicherungen von der Ware entfernen. Natürlich müssen die Belange der Zollbehörden immer gewahrt bleiben, d. h., dass eine Kontrolle oder Beschau immer möglich sein muss. Deshalb wird in der Genehmigung genau festgehalten, in welchem Zeitfenster z. B. abgefertigt werden darf. Der zugelassene Empfänger hat seine zuständige Zollstelle bei Erhalt der Ware unverzüglich zu informieren und Dokumente und entfernte Plomben in vorgegebenen Zeitabständen – z. B. wöchentlich – bei den Zollbehörden einzureichen.
Zollversandverfahren wird meist von Speditionen eröffnet
In der Praxis werden diese Zollversandverfahren meist von Speditionen eröffnet. Dennoch gibt es auch etliche Industrieunternehmen, die selbst zugelassene Versender (und Empfänger) sind und die Verfahren auch selbst eröffnen. Letztlich ist das eine Frage der Häufigkeit der Inanspruchnahme, der Praktikabilität und der Kosten.
4.3.2 Carnet-ATA.-Verfahren: Vorübergehende Ausfuhr bzw. Einfuhr
Das Carnet-ATA-Verfahren (Admission Temporaire/Temporary Admission) ist ein Zollverfahren für die vo...