Leitsatz
1. Eine finanzielle Eingliederung i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG setzt sowohl bei einer Kapital- als auch bei einer Personengesellschaft als Organträger eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung der Kapital- oder Personengesellschaft an der Organgesellschaft voraus. Deshalb reicht es auch für die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nicht aus, dass letztere nicht selbst, sondern nur ihr Gesellschafter mit Stimmenmehrheit an der GmbH beteiligt ist (Änderung der Rechtsprechung im BFH-Urteil vom 20.01.1999, XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136).
2. Das Fehlen einer eigenen mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung der Gesellschaft kann nicht durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden.
Normenkette
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG, Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-RL, § 60 Abs. 3 FGO
Sachverhalt
X war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer sowohl der F-GmbH (frühere Firma der Klägerin) als auch der Verwaltungs-GmbH. Die F-GmbH hatte die Leitung ihres Unternehmens durch einen "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" der Verwaltungs-GmbH unterstellt. X selbst war nicht unternehmerisch tätig.
Die F-GmbH hatte im April 1996 zwei Rechnungen ausgestellt, in denen sie USt ausgewiesen hatte. Das FA setzte die USt entsprechend fest. Die F-GmbH machte geltend, sie schulde die USt nicht, weil sie im Streitjahr 1996 Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen sei.
Das Sächsische FG wies die Klage ab: Die F-GmbH sei nicht finanziell in die Verwaltungs-GmbH eingegliedert gewesen, weil die Verwaltungs-GmbH selbst keine Anteile an der F-GmbH besessen habe (Sächsisches FG, Urteil vom 12.03.2008, 8 K 560/05, Haufe-Index 2125599, EFG 2009, 879).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der F-GmbH als unbegründet zurück.
Er verneinte im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung eine finanzielle Eingliederung der FG-GmbH in die Verwaltungs-GmbH.
Der Auffassung der Revision, die unterschiedliche Behandlung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften bei der finanziellen Eingliederung verstoße gegen die Rechtsformneutralität, schloss sich der XI. Senat zwar an. Dies führte aber nicht zu der – mit der Revision erstrebten – Änderung der bisherigen Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung in eine Kapitalgesellschaft als Organträger, sondern zur Übernahme und konsequenten Fortentwicklung der Rechtsprechung des V. Senats in dem Urteil vom 22.04.2010, V R 9/09 (BFH/NV 2010, 1581) und einer Aufgabe der eigenen Rechtsprechung des XI. Senats in dem BFH-Urteil vom 20.01.1999, XI R 69/97 (BFH/NV 1999, 1136).
Hinweis
1. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 UStG nicht selbstständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen finanziell, wirtschaftlich oder organisatorisch in des Unternehmen des Organträger eingegliedert ist (Organschaft).
Eine finanzielle Eingliederung in diesem Sinn erfordert eine Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft in der Weise, dass er seinen Willen durchsetzen kann, also über eine Stimmenmehrheit von mehr als 50 % der Stimmen verfügt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit erforderlich ist (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 22.04.2010, V R 9/09, BFH/NV 2010, 1581, unter II.2.).
Diese Stimmenmehrheit kann auch durch eine mittelbare Beteiligung des Organträgers, also dadurch erreicht werden, dass der Organträger als Gesellschafter mehrheitlich an einer Gesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits unmittelbar mehrheitlich an der Organgesellschaft beteiligt ist (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 19.05.2005, V R 31/03, BFH/NV 2005, 1725, BFH/PR 2005, 419).
2. Bei einer Personengesellschaft als Organträger hatte der BFH es – anders als bei einer Kapitalgesellschaft (vgl. BFH, Urteil vom 18.12.1996, XI R 25/94) – für eine finanzielle Eingliederung ausreichen lassen, dass die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern (nur) von den Gesellschaftern gehalten wurde (BFH, Urteil vom 20.01.1999, XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136, unter II.2.).
Mit Urteil vom 22.04.2010, V R 9/09 (BFH/NV 2010, 1581, BFH/PR 2010, 336) hat der V. Senat des BFH entschieden, dass eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft dann nicht vorliege, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an der Personengesellschaft und der GmbH verfügen.
3. Der Rechtsauffassung des V. Senats ist zu folgen. Der in der Rechtsprechung des EuGH entwickelte Grundsatz der Rechtsformneutralität verlangt, dass die Rechtsform des Steuerpflichtigen (Unternehmers) im USt-Recht grundsätzlich unerheblich ist. Er gebietet eine weitgehende Gleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaft (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 06.09.2007, V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, unter II.3.).
Der BFH hatte die finanzielle Eingliederung einer GmbH in ei...