Leitsatz
1. Liegt ausnahmsweise eine sog. Zufallserfindung vor, so führt allein die Anmeldung der Erfindung zum Patent noch nicht zu einer nachhaltigen Tätigkeit.
2. Der Erlös aus der Veräußerung einer Zufallserfindung ist nicht nach § 22 Nr. 2 oder 3 EStG steuerbar.
Normenkette
§ 15 EStG , § 18 EStG , § 22 Nrn. 2 und 3 EStG , § 23 EStG
Sachverhalt
Der Kläger ist Fotodesigner. Bei privaten Aufnahmen mit der Autofokuskamera seines Sohns kam er auf die Idee, dass der Autofokus zur Aufnahme beweglicher Objekte flexibel sein müsse. Er meldete seine Idee zum Patent in Deutschland, Europa und den USA an. Als er erfuhr, dass die Firma Canon eine Kamera mit beweglichem Autofokus auf den Markt gebracht hatte, machte er die Verletzung seines Patents geltend. Am 14.8. 1995 verkaufte er seine Rechte an dem Patent an Canon für 750.000 DM.
Das FA erfasste den nach Abzug der Aufwendungen für die Patentanmeldung verbliebenen Überschuss von 721.351 DM bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit und versteuerte ihn ermäßigt nach § 34 Abs. 2 EStG. Das FG gab der Klage statt; es ging von einer steuerfreien Zufallserfindung aus (EFG 2002, 1522).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Die Feststellungen des FG reichten nicht aus, um eine Zufallserfindung zu bejahen. Das FG wird noch feststellen müssen, welche Tätigkeiten der Kläger im Anschluss an seine "Blitzidee" entfaltet hat.
Hinweis
1. Eine Erfindertätigkeit führt nur dann zu steuerbaren Einkünften (entweder freiberuflichen oder gewerblichen), wenn sie nachhaltig ausgeübt wird. D.h. es muss sich um eine planmäßige und auf Wiederholung angelegte Tätigkeit des Erfinders selbst handeln. Die Patenterteilung und die darauf gerichtete Tätigkeit eines beauftragten Patentanwalts stellen keine solche nachhaltige Tätigkeit dar. Sie dienen lediglich dem Schutz des geistigen Eigentums und der Bekanntmachung der Erfindung.
2. Das FG hat im Streitfall nicht dargelegt, welche Tätigkeiten der Kläger ausgeführt hat, um seine Idee zur Patentreife zu führen. Es hat lediglich festgestellt, der Kläger habe allein für die erfinderische Idee ("der Autofokus soll flexibel sein") seine Patente erhalten. Dies widerspricht nach Auffassung des BFH jedoch allgemeinen Erfahrungssätzen. Wer ein Patent auf seine Erfindung erhalten wolle, müsse diese zwar nicht als verkaufs- oder fabrikationsreife Konstruktion vorlegen, jedoch müsse er "eine technische Lehre zur Lösung des Problems entwickelt und/oder dargestellt" haben. In dieser Richtung wird das FG im zweiten Rechtsgang noch Feststellungen zur Art und zum Umfang der Tätigkeiten des Klägers nachholen müssen.
3. Falls tatsächlich keine nachhaltige erfinderische Tätigkeit, sondern ausnahmsweise eine "gelegentliche"Zufallserfindung vorliegt, wäre der Veräußerungserlös nicht steuerbar. Eine Steuerbarkeit nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Nr. 2 EStG (Spekulationsgeschäft) scheitert an der fehlenden Anschaffung der Erfindung. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, die nicht den Tatbestand des § 23 EStG erfüllen, sind auch nicht nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.
4. Die Erfindung gehörte hier nicht zum gewillkürten Betriebsvermögen des Klägers im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit als Fotodesigner. Zwar steht nach der zwischenzeitlichen Rechtsprechungsänderung durch den BFH eine Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung der Bildung von gewillkürtem Betriebsvermögen nicht mehr entgegen (BFH, Urteil vom 2.10.2003, IV R 13/03, BFH/NV 2004, 132). Das FG hatte hier jedoch festgestellt, dass der Kläger die erteilten Patente nicht unmissverständlich seinem freiberuflichen Betrieb gewidmet hatte; es fehlte an einer eindeutigen Einlagehandlung. An diese Feststellung ist der BFH gem. § 118 Abs. 2 FGO gebunden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.9.2003, XI R 26/02