Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Leitsatz
Bei der Gewährung von handelbaren oder nicht handelbaren Aktionenoptionsrechten anstelle von Barlohn stellen sich aus steuerlicher Sicht die Fragen nach dem Zuflusszeitpunkt (Entstehung der Lohnsteuer) und nach der Bewertung des Sachbezugs (Bemessungsgrundlage der Lohnsteuer).
Der Besteuerungszeitpunkt von Arbeitslohn richtet sich nach dem Zeitpunkt des Zuflusses (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EStG, § 11 EStG). Für den Zufluss kommt es darauf an, wann der Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitslohn erfüllt ist. Bei Sachbezügen ist der Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums entscheidend. Wird Arbeitslohn in Form von Aktienoptionen gewährt, so ist der Zeitpunkt der Optionsausübung als Zuflusszeitpunkt anzusehen. Dieses gilt gleichermaßen für handelbare wie für nicht handelbare Optionsrechte. Da Sachbezüge mit dem Marktpreis, vermindert um die Aufwendungen des Arbeitnehmer, zu bewerten sind (§ 8 Abs. 2 EStG), bemisst sich die Lohnsteuer nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Kurswert im Zuflusszeitpunkt (Optionsausübung) und dem Preis, zu dem der Arbeitnehmer die Aktien erwerben kann.
Sachverhalt
Der Kläger war Arbeitnehmer einer inländischen GmbH, deren Konzern-Muttergesellschaft ihren Sitz im Ausland hatte. Er ging auf das Angebot der Konzern-Muttergesellschaft ein, an ihrem Stock Option Programm teilzunehmen, und erwarb handelbare Aktienoptionsrechte, deren Zeichnungsfrist am 1.4.2001 begann. Nach Beginn der Zeichnungsfrist waren die Optionen frei übertragbar. Die Zeichnungsfrist endete am 31.12.2004. Stillhalter war die Konzern-Muttergesellschaft. Das Finanzamt behandelte die Optionsrechte bereits im Zeitpunkt der Gewährung der Option als zugeflossenen Arbeitslohn. Die Bewertung erfolgte mit dem Eröffnungskurs der Aktie der Konzern-Muttergesellschaft v. 2.4.2001. Die auf die Optionsrechte entfallende Lohnsteuer wurde unter Beachtung der Tarifbegünstigung des § 34 EStG mit Bescheid v. 13.7.2001 festgesetzt.
Entscheidung
Das FG folgt mit seiner Entscheidung der Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Behandlung von nicht handelbaren Mitarbeiteroptionen, die erst im Zeitpunkt der Optionsausübung steuerpflichtig sind (Endbesteuerung), und überträgt diesen Besteuerungsgrundsatz auch auf handelbare Mitarbeiteroptionen. In beiden Fällen - so das FG - geht der wirtschaftliche Vorteil erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Wahrnehmung des Optionsrechtes in den Verfügungsbereich des Arbeitnehmers über. Das für die Besteuerung von Arbeitslohn geltende Zuflussprinzip verbietet die Besteuerung zu einem früheren Zeitpunkt ( z. B. Gewährung der Option, Beginn der Ausübungsbefugnis). Die bloße Chance auf den verbilligten Aktienerwerb und die Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens führen noch nicht zum Zufluss des Arbeitslohns. Ob es sich um handelbare oder nicht handelbare Aktienoptionen handelt, spielt für die Frage des Zuflusszeitpunktes keine Rolle. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Zweck der Mitarbeiteroptionen aus Arbeitgebersicht darin besteht, den Arbeitnehmer zur verstärkten Mitwirkung an der Steigerung des Unternehmenswertes zu motivieren. Demzufolge ist die Gewährung der Option keine Gegenleistung für bereits erbrachte Arbeitsleistung, sondern vielmehr auf die zukünftige Unternehmenswertentwicklung ausgerichtet. Folglich rechtfertigt auch die wirtschaftliche Betrachtungsweise, für die Frage des Zuflusses auf die Optionsausübung abzustellen.
Hinweis
Das FG hat die Revision gegen das Urteil zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO). Der BFH hatte sich bereits mit der Frage der Besteuerung von Mitarbeiteraktienoptionen befasst (BFH, Urteil v. 24.1.2001, I R 100/98 und vom 24.1.2001, I R 119/98 und vom 20.6.2001, VI R 105/99). In den Streitfällen ging es jedoch stets um nicht handelbare Optionsrechte, während der hier zugrunde liegende Fall die Besteuerung von handelbaren Optionsrechten betrifft. Bei nicht handelbaren Optionsrechten richtet sich der Zuflusszeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Ausübung der Option (Endbesteuerung). Die Lohnsteuer bemisst sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Marktwert, d. h. Kurswert bei Optionsausübung, und dem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten Übernahmepreis.
Ausgehend von der Argumentation des BFH ist zu vermuten, dass er sich bezüglich der Steuerpflicht von Sachbezügen in Form von handelbaren Optionsrechten nicht für die Endbesteuerung, sondern für die Anfangsbesteuerung ausspricht. Dann käme es für die Entstehung der Lohnsteuer auf den Zeitpunkt der Gewährung der Option an. Die Lohnsteuer würde sich bei börsennotierten Optionen nach dem Kurswert und bei anderen Optionen nach dem mittels Optionspreismodellen berechneten Wert bemessen.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 09.05.2003, 11 K 6754/01 L